Speyer Von Schabern und Fensterbauern

Ludwigshafen. Knusper, knusper, Knäuschen, wer knuspert da in seinem Häuschen? Dieser Frage gehen wir bei unserem heutigen Waldspaziergang nach. Als Experten begleiten uns wieder Förster Volker Westermann und der Insektenspezialist Erich Bettag. Mit ihnen lesen wir heute vom Blatt.

Für diese Folge müssen wir uns eigentlich gar nicht bewegen. Gut, in den Wald kommen, das müssen wir schon. Aber dann reicht es eigentlich, sich einen Ast, einen Strauch oder irgendeine Pflanzenstaude anzuschauen. Ja, ein Blick auf eine Brennnessel kann reichen, eigenartige Blattgebilde zu entdecken. Innerhalb von zehn Minuten haben wir Lochmuster, labyrinthartige Linien und wild gemusterte Blattteile gefunden. „Sehen Sie mal, das ist interessant“, sagt Erich Bettag und zeigt auf ein Brombeerblatt. „Hier hat sich ein Blattgrünfresser ans Werk gemacht. Er hat nur die Unterseite angeknabbert. Sehen Sie die Kante?“ Wenn man genau hinschaut, ist tatsächlich zu erkennen, dass sich hier ein Tierchen entlanggefressen hat. „Schabefraß nennt man das“, erklärt Bettag. Kleine Käfer oder Raupen sind die Verursacher solcher Fraßspuren, die ganz unterschiedlich gestaltet sind. Volker Westermann, unser Bildungsförster vom Forstamt Pfälzer Rheinauen, vergleicht sie mit Tage- und Untertagebau. Er ruft uns zu einem Exemplar, auf dem sich ein Insekt zwischen den Blattschichten durchgefressen hat: „Das nennen wir Forstleute Minierfraß – die Miniermotte ist vielleicht das bekannteste Tier dafür. Ihre Larven fressen sich hier drin satt.“ Der Tunnel hat laut Förster Westermann gleichzeitig eine Schutzfunktion. Das Würmchen wird nicht von Feinden entdeckt. Es kann sich ganz zu Hause fühlen. „Quasi wie die Made im Speck leben und groß werden.“ Knusper, knusper, Knäuschen, die Minimotte knuspert in ihrem Häuschen. Diese Frage hätten wir schon mal geklärt. Damit wir uns doch noch von der Stelle bewegen, stellt uns Volker Westermann eine Aufgabe: Suchen Sie mal einen Fensterfraß. Ähm. Wir schauen uns um. Hier in den Brennnesselblättern sind lauter Löcher. „Nö, das ist Lochfraß“, sagt Westermann. Bettag erläutert, dass dabei kleinere Löcher zwischen die Blattadern gefressen werden. Der Raupe des Kohlweißlings beispielsweise beliebt es, Nahrung auf diese Weise zu sich zu nehmen. Beim Fensterfraß bleiben die Ränder des Blatts bestehen, innen werden fensterähnliche Teile entlang der Adern abgefressen. Manchmal bleibt eine hauchdünne Blattschicht stehen. Dann hat das Fenster quasi eine Scheibe. Der Förster zeigt uns ein solchermaßen angenagtes Eichenblatt. „Jedes Tierchen frisst sich nach einem anderen Muster durchs Blattgewebe, ganz klar lassen sich die Fraßspuren nicht trennen“, sagt Westermann. Es sei schwer zu bestimmen, welcher Vertreter aus dem Reich der Insekten sich jeweils den Bauch vollgeschlagen hat. „Sitzt hier der Fritz oder der Franz drinnen? Wir wissen es nicht.“ Bettag hat ein Blatt mit einem Miniergang in der Hand und öffnet ihn jetzt vorsichtig mit der Spitze einer Nadel. Wir sind gespannt. Dann sehen wir etwas Schwarzes. „Nur die Puppenhülle, das Tierchen ist weg“, stellt Bettag fest. Schade, wir hätten dem Fritz oder dem Franz gerne Hallo gesagt. Wir entdecken dann noch angefressene Ränder (Randfraß), skelettierte und zusammengerollte Blätter und manchmal Laub, das gleich von verschiedenen hungrigen Mäulchen angefallen wurde. „Zwischen 1,5 bis 2,5 Prozent der Blattmasse im Laubwald ist in normalen Jahren Insektennahrung. Damit kommt der Wald aber gut zurecht“, sagt Westermann. Wir könnten also beruhigt die schönen Muster bestaunen, meint er, und den Knabbertieren einen guten Appetit wünschen.

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