Speyer „Schöner wäre es ohne Zeitvergeudung“

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Landau. Herr von Weizsäcker, ich brauche Ersatz für meine alte Ölheizung. Kann ich eine Gasheizung nehmen, oder muss es die viel teurere Pelletheizung sein? Gasheizung ist ok. Das Gasnetz wird mehr und mehr auch zum Träger von „erneuerbarem Gas“, das aus überschüssiger Wind- und Solarkraft hergestellt wird. Aber bei Hausplanung einschließlich Umbauplanung sollte man die Kombination Pellets und Passivhaus vorziehen. Die Kommunen in der Südpfalz waren bereit, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, indem sie Windräder in einigen wenigen Bereichen des Pfälzerwaldes zulassen wollten. Gescheitert sind die Pläne am Unesco-Biosphärenkomitee, das damit gedroht hat, dem Pfälzerwald die Anerkennung als Biosphärenreservat zu entziehen. Wer hatte Recht? Offene Streitfrage. Der Pfälzerwald ist ein großartiges, ja einzigartiges Waldgebiet. Andererseits soll man Gegenden für ihre Schönheit nicht ökonomisch bestrafen. Eine Lösung könnte ein neues Windkraftkonzept aus Spanien sein, wo sich kein Rad dreht, sondern das vom Wind ausgelöste Zittern der Stämme in Strom verwandelt wird. Die Ausbeute beträgt vielleicht ein Fünftel eines konventionellen Windrades, aber man kann die radlosen Stämme gut fünfmal enger stellen als Windräder. Schwarzstörche, Milane oder Fledermäuse und die menschliche Ästhetik können damit wohl gut leben. Die UN-Klimakonferenz wird unter anderem vom südpfälzischen CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Gebhart, der als Mitglied der deutschen Delegation dabei war, als großer Erfolg eingestuft. Sehen Sie das auch so? Thomas Gebhart hat Recht. Die „Durban-Gruppe“ und der französische Außenminister Laurent Fabius haben sehr gute Arbeit geleistet. Die USA haben ohne Klimaschutzmotive zahlreiche Kohlekraftwerke abgeschaltet und dies den anderen Delegationen als Klimaschutz verkauft. Analog die Chinesen: Sie leiden mächtig unter Kohleschmutz und haben daher bei einer Bremsung der Kohleverbrennung das Volk hinter sich. Und Deutschland hat der Welt vorgeführt, dass ein starkes Industrieland zügig auf erneuerbare Energien und Effizienz umsteigen kann. So haben ganz unterschiedliche Entwicklungen das alte, kranke Argument entkräftet, Klimaschutz sei unbezahlbar. Wie groß ist die Gefahr, dass viele Teilnehmer vielleicht die Notwendigkeit zum Umsteuern sehen, aber lieber die anderen voranschreiten lassen? Lass sie doch zögern. Die Klimaschutz-Aktiven laufen ihnen technologisch den Rang ab. Bis die Wirtschaftslobby der Zögerländer aufwacht und umschwenkt. Schöner wäre es natürlich, wenn diese traurige Zeitvergeudung ausbleiben könnte! Wie nachhaltig ist Deutschland? Im internationalen Vergleich sehr. Schattenseiten sind der Braunkohlestrom-Export, die rekordverdächtige Fernreiserei, die Mega-Fleischfabriken und die Vernachlässigung des Schienenverkehrs. Die Sonnenseiten sind exquisite Ingenieurleistungen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz in seiner frühen Form, die Kreislaufwirtschaft, die Ausdehnung des Ökolandbaus und das umweltbewusste Verhalten von vielen Millionen Einzelpersonen. Derzeit bestimmt das Flüchtlingsthema alle Debatten. Wie groß ist die Gefahr, dass ökologische Themen dann als doch nicht so vordringlich angesehen werden? Die Gefahr ist real. Erstens bei Haushaltsprioritäten, zweitens durch das Aufziehen einer antirationalen Angststimmung. Sie sagen, Entkopplung müsse zum neuen großen Schlagwort in der Ökologie werden. Was genau ist damit gemeint? Entkopplung beim Klimaschutz heißt Energiewohlstand mit wenig oder gar keinen fossilen Brennstoffen. Bei Haushaltsgeräten und Häusern: höchste Energieeffizienz und Langlebigkeit. Bei der Wassernutzung perfekte Abwasserreinigung. Bei Metallen, Baustoffen und Plastik konsequente Kreislaufführung. Sie plädieren dafür, finanziellen Druck aufzubauen, um den Ressourcenverbrauch zu senken. Spielt da die Wirtschaft mit oder wird dann wieder die Keule des Arbeitsplatzverlustes ausgepackt? Kreislaufwirtschaft schafft deutlich mehr Arbeitsplätze als Vergeudungswirtschaft. Und das Alltagsverhalten reagiert sehr sensibel auf Preissignale. Aber Deutschland wird reicher, nicht ärmer, wenn wir Saudi-Öl und chinesische seltene Erden durch deutsche Ingenieursleistungen und Kreislaufverhalten ersetzen. An der Uni Landau gibt es einen großen Umwelt-Fachbereich. Kennen Sie den bereits? Ja, natürlich. Er ist in Fachkreisen wohlbekannt, aber ich wüsste gern noch viel mehr davon! Steht Ihr Vortrag für die „Große Begegnung“ schon? Worüber werden Sie genau sprechen? Ich rede meistens frei auf der Basis von guten, einfachen Bildern. Auf Zuhörerzurufe reagiere ich ähnlich wie damals, als ich noch im Bundestag war. Inhaltlich: Die Entkopplung und die sozial- und wirtschaftsverträgliche Verteuerung von Energie und Rohstoffen kommen sicher vor. Ebenso die Wichtigkeit Europas als Treiber der Nachhaltigkeit. Und ein paar Worte zu Wissenschaft und akademischer Lehre, den Zuhörern aus dem Uni-Bereich zuliebe.

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