Speyer Risiko Massenunterkünfte?

Ein Seminar für Ärzte und medizinisches Fachpersonal am Universitätsklinikum Mannheim hat sowohl medizinische als auch gesundheitspolitische Aspekte angesichts der derzeitigen Flüchtlingsbewegung behandelt – und sich mit dem möglichen Risikofaktor Massenunterkünfte beschäftigt. Unterdessen warnt die CDU-Fraktion im Gemeinderat vor möglichen Gefährdungen für die Bevölkerung.

„Zu diesem Thema gibt es kein Lehrbuch“, sagte Klinikdirektor Dr. Matthias Ebert, als er das Seminar „Medizin für Flüchtlinge“ im vollbesetzten Hörsaal der Universitätsmedizin eröffnete. „Wir stellen einen Informationsbedarf der niedergelassenen Kollegen fest“, so Ebert. Gleichzeitig, so die Mannheimer Gesundheitsdezernentin Ulrike Freundlieb, gebe es in der Bevölkerung „ein sorgenvolles Interesse“, teils mit Angst behaftet. Deshalb habe man sich zu dem Symposium entschlossen. Das Land sei für die Gesundheitsversorgung und Impfung der Flüchtlinge zuständig, Mannheim für die Durchführung der Erstuntersuchung sowie die Überwachung des Hygiene- und Infektionsschutzes, stellte Freundlieb die Zuständigkeiten klar. Allerdings sei man noch auf dem Weg einer Standardisierung. „Denn wenig ist planbar“, sagte sie. Gerade haben Kinderärzte aus Mannheim und Umgebung sowie Medizinstudenten den im Benjamin-Franklin-Village untergebrachten Flüchtlingen die Impfung gegen klassische Kinderkrankheiten angeboten. Diese zählen ebenso zu den Infektionskrankheiten wie die offene Lungentuberkulose. Auf der Erkennung dieser ansteckenden Krankheiten liegt bei der Eingangsuntersuchung der Flüchtlinge der Schwerpunkt. Man schaue, ob die Menschen an Fieber, Husten, Hautausschlag oder Juckreiz litten, erläuterte Dr. Peter Schäfer. Außerdem, so der Leiter des Mannheimer Gesundheitsamtes weiter, müssten sich alle Asylsuchenden über 15 Jahre der gesetzlich vorgeschriebenen Röntgenuntersuchung des Thorax unterziehen. Bei Kindern unter 15 Jahren wird die Untersuchung auf Tuberkulose durch den Tuberkulin-Hauttest vorgenommen. Ergibt sich der Verdacht auf eine Lungentuberkulose, werden die Betroffenen stationär in der Universitätsmedizin (UMM) aufgenommen. Entsteht im Rahmen der Erstuntersuchung der Eindruck, der Patient sei wegen einer anderen, nicht-infektiösen Krankheit behandlungsbedürftig, wird er an die ärztlichen Sprechstunden in der Unterkunft verwiesen. Ebert und Schäfer bestätigen, dass es aktuell mehr Fälle an Lungentuberkulose gebe. Allerdings stellt sie, wie die anderen Infektionskrankheiten auch, in erster Linie ein Risiko für die Menschen in den Massenunterkünften selbst dar, wo sich Bakterien aufgrund der räumlichen Enge schneller ausbreiten können. „Außerdem haben wir es mit einer an sich geschwächten Personengruppe zu tun“, sprach Dr. Stefan Weichert von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin von einer besonders gefährdeten, nicht aber einer Gruppe, von der Gefahr ausgeht. Betroffen sind insbesondere Flüchtlingskinder. Seit Ausbruch des Krieges in Syrien beispielsweise wird dort nicht mehr ausreichend gegen Masern und Polio geimpft. Daher empfehle das Robert-Koch-Institut die frühzeitige und nach Alter gestaffelte Impfung von Flüchtlingen in Massenunterkünften, um das Infektionsrisiko zu verringern. Die CDU-Gemeinderatsfraktion sorgt sich um unterdessen um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge im Benjamin-Franklin-Village bei Käfertal sowie um die Verbreitung von Infektionskrankheiten in der deutschen Bevölkerung. Moniert werden erhebliche Defizite. In ihrem Antrag zur jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Gemeinderats fordert die CDU deshalb dort den Aufbau eines „Gesundheitszentrums“ mit einer Rund-um-die-Uhr-Versorgung und dem zugehörigen ärztlichen Personal und technischem Gerät. Zudem will die CDU einen Isolierbereich für Infektionskrankheiten. In seiner Stellungnahme gegenüber der RHEINPFALZ kam Gesundheitsamt-Leiter Schäfer zu einer anderen Einschätzung. „Die medizinische Versorgung der Flüchtlinge hat sich inzwischen stabilisiert und wird zunehmend besser organisiert. Aus unserer Sicht brauchen wir kein Mini-Krankenhaus auf Franklin“, verweist der Arzt darauf, dass es an jedem Standort von Flüchtlingsunterkünften einen ärztlichen Ansprechpartner gebe. Daher würden dort fünf- bis siebenmal in der Woche ärztliche Sprechstunden angeboten.

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