Speyer „Niemand ist hier vogelfrei“

Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer hat am Donnerstagabend ihr Sommersemester mit einem Vortrag von Angelika Nußberger, Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg und Professorin für Ostrecht an der Universität in Köln, eröffnet. Das Thema war an Aktualität kaum zu übertreffen: „Menschenrechte und Terrorismus“.

Der zierlichen, nicht dominant auftretenden Frau, die jünger wirkt als sie ist (53), sieht man nicht an, dass sie eine der höchsten europäischen Richterinnen ist. Zeit hat sie in ihrer Karriere keine verloren: Nußberger hat Slawistik und Rechtswissenschaften studiert. Studienaufenthalte in Moskau und in Harvard rundeten ihre Ausbildung ab. Promoviert wurde sie mit einer Studie über das sowjetische Verfassungsrecht in der Übergangszeit, sie habilitierte mit einer Arbeit über Sozialstandards im Völkerrecht 2002. Im gleichen Jahr wurde sie zur Professorin an die Rechtswissenschaftliche Fakultät in Köln berufen. 2010 wurde sie zur Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewählt. Zeit verlor sie auch in Speyer nicht: In ziemlich genau 40 Minuten umriss sie die Aufgaben des Gerichtshofs sowie die Grundzüge der Europäischen Menschenrechtskonvention, ließ erkennen, warum dieser bei der Terrorismusbekämpfung von vielen Staaten als Stachel im Fleische empfunden wird. Er behindere den Kampf gegen den Terrorismus, hieße es oft. Zuständig ist der Gerichtshof für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention, der alle 47 Mitglieder des Europarats – alle europäischen Staaten außer Weißrussland und dem Vatikanstaat - beigetreten sind. Jeder kann den Gerichtshof anrufen mit der Begründung, von einem dieser Staaten in seinen Rechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden zu sein. „Niemand ist in Europa vogelfrei, auch kein Terrorist“, fasste Nußberger zusammen. Die Garantie eines fairen Verfahrens sei im Kampf gegen Terrorismus besonders hervorstechend. Viele spektakuläre Fälle finden viele Jahre später im Gerichtshof ein kaum mehr beachtetes Nachspiel, etwa die Geiselnahme von Beslan 2004, über die vor wenigen Tagen entschieden wurde, der Fall des Deutschen Khaled al-Masri, der von der CIA gefoltert wurde, oder der Fall eines der U-Bahn-Attentäter 2005 in London.

x