Speyer Mit feinem Strich

Mit dem Kohlstift zeichnet Steffen Kern Gegenstände, Personen und Innenräume so fein, dass seine Werke schon mal mit Fotografien verwechselt werden. Der 1988 geborene Künstler gehört zu den Nominierten des Hans-Purrmann-Förderpreises der Stadt Speyer für Bildende Kunst.

6000 Euro – was würde er mit dem Preisgeld machen? „Als Künstler hat man ja durchaus Ausgaben, für Material. Und ich lasse meine Bilder gerne rahmen“, sagt Steffen Kern. Und nach dem Studium stünde dann auch irgendwann die Miete für ein eigenes Atelier an. Sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München möchte Kern im Februar beenden. „Ich habe nur noch ein Semester vor mir“, erzählt er. Wie viele Künstler war und ist auch er auf Stipendien angewiesen. Er ist Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und konnte bei Daniel Richter an der Akademie der Bildenden Künste in Wien studieren. Aber er lebt in München – und die Hauptstadt Bayerns war auch eine Station in Purrmanns Leben. Kern, der Mann mit den auffälligen langen, rotblonden Haaren, hat dieses Jahr schon den Frankenthaler Perron-Förderpreis bekommen. „Der Purrmann-Preis ist sehr renommiert, und man kann sich selbst für ihn vorschlagen“, begründet er seine Bewerbung. Auch das Preisgeld sei großzügig bemessen: „Die meisten liegen bei etwa 1500 Euro.“ Das Oeuvre des jungen Künstlers umfasst hauptsächlich Kohlezeichnungen. Diese zeigen Alltagsgegenstände wie Fernseher, Möbel oder Leuchtreklamen. Aber auch die Rückenansicht einer jungen Frau, die an einem Bahnsteig zu warten scheint. Für die Darstellung greift Kern auf fotografische Methoden wie Blooming (weiße Lichtflecken), Schärfentiefe oder eben Blitzschatten zurück, die allerdings gezeichnet werden – und zwar bis auf wenige Ausnahmen in Schwarz und Weiß. „Bei Ausstellungen kamen schon Leute auf mich zu und haben gesagt: ,Ach, Sie sind doch der Fotograf’“, erzählt Kern. Dabei zeichnet er nicht einmal Fotografien ab. Er arbeitet auch nicht mit konkreten Vorlagen, sondern entnimmt seine Vorlagen aus einem Pool aus „Metabildern“, wie er diese selbst bezeichnet. Die Szenen, die seine Zeichnungen zeigen, gibt es also nicht – und doch wirken sie merkwürdig vertraut auf den Betrachter. Kern wünscht sich einen selbstständigen und aktiven Rezipienten, der selbst entscheidet, was er sieht. Viele seiner Zeichnungen erinnern an Filmszenen, was durch Untertitel noch befördert wird. „Als ich angefangen habe zu zeichnen, habe ich gemerkt, dass da Bilder entstehen, die ich irgendwie schon kannte“, erklärt Kern. „Es ist nicht so, dass ich schon vorab genau weiß, was ich zeichnen werde.“ Wie viele andere Künstler auch interessiere er sich genau für dieses Wechselspiel zwischen Vorzeichnungen und Ergebnis. Der Kohlestift minimiert dabei die Größe seiner Werke. „Die meisten haben die klassische Fotogröße oder sind so groß wie ein Polaroid. Ein Maler kann einen größeren Pinsel benutzen, aber ich ja nicht einfach einen größeren Stift.“ Seine größte Arbeit habe einen Umfang von 1,5 Metern. Er findet das Genre Zeichnung noch keineswegs erschöpft, hat aber schon über Videoprojekte nachgedacht. Wer Kerns Zeichnungen sieht, ist beeindruckt von ihrer Feinheit. Die Technik sei dabei „relativ erbarmungslos“, einen falschen Strich bekomme er eben nicht mehr vom Blatt. „Das Arbeiten erfordert höchste Konzentration“, sagt Kern. „Im Gegensatz zu einem Maler kann ich meine Werke ja nicht einfach überarbeiten.“ Provokationen, grelle Motive oder politische Beiträge – darum scheint es dem Münchner Künstler nicht zu gehen. „Ich könnte politisches Geschehen in meinen Werken kommentieren“, überlegt er, „aber die zeitliche Distanzlosigkeit hält mich davon ab. Vielleicht würde ich zu früh ein Urteil fällen, für das ich mich im Nachhinein schämen würde.“ Wie geht es für Kern nach dem Studium weiter? „Man kann nicht damit rechnen, auf jeden Fall als freischaffender Künstler leben zu können“, sagt er. Manche hätten Karrieren, die fünf Jahre lang gut laufen würden, um dann abzustürzen. „Aber die Freiheit, die man als Künstler hat, sich umzusehen, ist auch viel wert.“ Bisher habe er viel Glück gehabt, und das wohlhabende München sei auch ein guter Markt für Künstler. „Da kommen schon mal Leute in eine Jahresausstellung und kaufen ein Bild.“ Er freue sich auf den Besuch in Speyer und die Möglichkeit, mit anderen Künstlern auszustellen. Und ja, von dem Dom habe er bereits gehört und den werde er sich auch anschauen.

x