Speyer Kulturspiegel: Neben Bruckner wird auch Smetana 200 Jahre alt

Smetana-Denkmal (vorne rechts) an der Moldau in Prag.
Smetana-Denkmal (vorne rechts) an der Moldau in Prag.

Das Anton-Bruckner-Jahr zum 200. Geburtstag wird heuer groß gefeiert – auch in Speyer. Der 350. Geburtstag von Reinhard Keiser wurde zumindest beim Winter in Schwetzingen gewürdigt. Doch das sind wahrlich nicht alle musikgeschichtlich relevanten Jubilare in diesem Jahr.

Vor 150 Jahren wurde Arnold Schönberg geboren – und vor 200 Jahren Bedrich Smetana. Für eine Chor- und Orgelstadt wie Speyer böten sich da immerhin die Beschäftigung mit den Chorwerken Schönbergs und den Orgelwerken Smetanas an. Schönbergs unvollendete Oper „Moses und Aaron“ in der SchUM-Stadt Speyer – das wäre natürlich auch was, aber nun gut, das bleibt wohl eine Vision.

Dass der 200. Geburtstag des tschechischen Nationalkomponisten Bedrich Smetana – er wurde am 2. März 1824 in Litomyšl (dort ist das Renaissance-Schloss übrigens Weltkulturerbe) geboren – bis dato so wenig Spuren im hiesigen Musikbetrieb hinterlassen hat, verwundert schon. Schließlich hat er mit der Tondichtung „Die Moldau“ einen der größten Klassik-Hits „ever“ geschaffen. Vielleicht weiß die oder der eine noch, dass diese Viertelstunde musikalischer Flussreise Teil eines Zyklus mit dem Titel „Mein Vaterland“ ist, aber im Ganzen ist diese Folge von sechs Sinfonischen Dichtungen außerhalb Tschechiens nicht allzu oft zu hören.

„Die Moldau“

Morgen zweimal und am Montag einmal können Kinder ab sechs Jahren im Kinderkonzert der Badischen Staatskapelle Karlsruhe (mehr Infos unter www.staatstheater.karlsruhe.de). Genaueres zu Smetanas „Moldau“ erfahren. Und wer das jüngste sechste Sinfoniekonzert der Saison der Badischen Staatskapelle oder deren Abstecher zu den Opernfestspielen Heidenheim besuchte, erlebte endlich einmal den ganzen „Mein Vaterland“-Zyklus. Und das war denn auch ein ganz großartiges Erlebnis.

Der Karlsruher Generalmusikdirektor Georg Fritzsch kommt aus Sachsen. Wie er bei der Programmvorschau sagte, kennt er deshalb von Jugend an „Böhmens Hain und Flur“ sehr gut. Die Aufführung der Tondichtungen Smetanas war ihm also ein Herzensanliegen. Das war bei dem Konzert jetzt deutlich zu hören – und ebenso eindrucksvoll war es, zu spüren, welch tiefen Sinn für die Ästhetik dieser Musik der Dirigent hat.

Spannende Geschichten in Tönen

Mit einer einmal mehr sagenhaft spielenden Staatskapelle brachte Georg Fritzsch nämlich die Emphase und den Musik gewordenen Patriotismus dieses Werks auf das Allerschönste zur Wirkung. Und das von den ersten Harfenklängen im ersten Stück bis zur hymnischen Verbindung dieser Melodie mit der eines alten Hussitenchorals am Ende des letzten Teils. Immer auch war die Bildkraft seiner der Wiedergabe enorm. Es wurden ungemein plastische Klangbilder gemalt und spannende Geschichten in Tönen erzählt.

Nur gut 100 Kilometer sind es von dem Geburtsort Bedrich Smetanas nach Kalischt, zu dem Geburtsort von Gustav Mahler. Nach Auftritten in Pirmasens (siehe Seite Kultur) und Worms ist dessen erste Sinfonie heute um 19.30 Uhr in der Wörther Festhalle und morgen im 18 Uhr im Mannheimer Rosengarten mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Chefdirigent Michael Francis zu hören (www.staatsphilharmonie.de).

Erst die Zweite, dann die Erste

Diese erste Sinfonie ist ja quasi eine Art (weltliches) Vorspiel zur zweiten, der „Auferstehungs-Sinfonie“. Diese spielte die Staatsphilharmonie unter Francis ja bereits in grandioser Weise im Herbst 2021 im Dom zu Speyer bei den Dommusiktagen.

Eine ebenso bewegende und prägende Aufführung der Sinfonie gab es in diesem Jahr im vierten Sinfoniekonzert der Badischen Staatskapelle Karlsruhe, wo das monumentale Werk nach fast 22 Jahren wieder einmal im Staatstheater auf dem Programm stand. Auch bei diesem Konzert überzeugte die Intensität und Sprachkraft der Wiedergabe unter der Leitung von Generalmusikdirektor Georg Fritzsch, der über rund 90 Minuten einen großen Spannungsbogen und eine ebenso schlüssige wie konsequente Steigerungsdramaturgie aufbaute und entfaltete. Die Wirkung war überwältigend, die zweite Sinfonie von Mahler wurde in ihrem Wesenskern erfasst.

Bruckner im Dunkeln

Bruckner macht Georg Fritzsch in dieser Saison übrigens auch noch, am 30. Juni und 1. Juli die sechste Sinfonie in A-Dur im achten Sinfoniekonzert. Am 5. Juli gibt es sie dann auch bei einem Konzert im dunkel gehaltenen Kirchenraum der Karlsruher Kirche St. Bernhardt am Durlacher Tor.

Auch bei bedeutenden Interpreten gibt es 2024 runde Geburtstage zu feiern. So am kommenden Montag, dann wäre der britische Geiger und Dirigent Sir Neville Marriner 100 Jahre alt geworden. Der legendäre Gründer und langjährige Leiter der Academy-of-St.-Martin-in-the-Fields hat durchaus Bezüge zum deutschen Südwesten. Nicht nur, weil seine Geburtsstadt Lincoln die Partnerstadt von Neustadt ist. Von 1983 bis 1989 war er Chefdirigent des damaligen Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. Er gastierte aber auch mit seiner Academy oft in Mannheim. Es heißt, Marriner habe mehr Platten eingespielt als Karajan. Und seine Interpretationen haben ungebrochen ihren Wert und animierenden Reiz. Zu den Musikern, die mit ihm gearbeitet haben, gehört auch der Lautenist Johannes Vogt von La Rosa Enflorece.

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