Speyer Hüter der „Ausschell-Schell“

Hat vom Vater die kräftige Stimme geerbt: Klaus Günter Hört, der Sohn von Nikolaus Hört, mit der „Ausschell-Schell“.
Hat vom Vater die kräftige Stimme geerbt: Klaus Günter Hört, der Sohn von Nikolaus Hört, mit der »Ausschell-Schell«.

Nun hat sie ihren endgültigen Platz im Heimatmuseum, die Waldseer „Ausschell-Schell“, mit der früher die Verkündigungen der Gemeinde ausgerufen wurden. In einer eigenen Vitrine ist sie am „Tag der offenen Tür“ am Kerwesonntag zum ersten Mal zu besichtigen.

Nikolaus Hört war der letzte Gemeindemitarbeiter, der mit ihr als „lebendes Amtsblatt“ von Mitte der 1950er bis Anfang der 1960er Jahre durchs Dorf ging. Ein paar kräftige Schläge, dann rief er mit laut schallender Stimme: „Derrr Bürgermeisterrrr gibt bekannt!“ Anschließend kamen die Nachrichten, von der Verkündigung der Beschlüsse des Gemeinderats bis zur Generalversammlung des MGV Concordia und anderer Vereine oder was sonst Wichtiges anstand. Nikolaus Hört hatte eine sehr kräftige, tragende Stimme, die viele ältere Waldseer noch im Ohr haben, und er konnte auch die sehr schwere „Schelle“ meistern. Sein Sohn Klaus Günter hat die Stimme geerbt, und er weiß noch genau, wie sein Vater die Schelle anschlug, schließlich war er oft genug als Kind dabei. „Mein Vater hat die Nachrichten oben auf der Gemeinde zusammen geschrieben, dann begann er seinen Rundgang durchs Dorf“, erinnert er sich. Die Stationen waren meist an den Kreuzungen: Ecke Schulstraße/Raiffeisenstraße, Ludwigstraße/Schillerstraße vor der Tintenfabrik, Mörschstraße/Neuhofenerstraße, vor dem Café Frank ( dem späteren Hotel Oberst) und am Kriegerdenkmal Ecke Ludwigstraße/Haardtstraße. „Meistens strömten die Buben zusammen und liefen hinter ihm her“, sagt Hört. Die Frauen öffneten das Fenster und horchten, und dann ging es wie die „Stille Post“: Was hat er gesagt? Bub, was hast du gehört? Nicht auszuschließen, dass sich die Nachrichten auf dem Weg veränderten, vor allem, wenn Kinder die Überbringer waren. Nikolaus Hört war zu seiner Zeit wohl einer der bekanntesten Leute im Dorf, wegen dieser Funktion, aber auch wegen seiner zahlreichen Ämter, haupt- und ehrenamtliche. 1919 in Waldsee geboren, kam er 1943 mit einer schweren Schädel- und Rückenverletzung aus dem Krieg zurück und arbeitete dann im Städtischen Bauamt in Mannheim. Ende der 1940er Jahre kam er als Angestellter zur Gemeinde Waldsee, mit einer Reihe ganz verschiedener Aufgaben. Die wichtigste war damals die Verteilung der Flüchtlinge aus dem Osten auf die verschiedenen Sozialwohnungen der Gemeinde. „Im Gasthaus Zum Engel – heute ist dort das Eiscafé Dolomiti – wurden die Wohnungen zugewiesen, in der ehemaligen Nudelfabrik am Beginn der Rehhütter Straße oder am Mühlweg“, erinnert sich der Sohn. Zu seiner Funktion als „Amtsblatt“ kam er, weil er seit Beginn der 1950er Jahre für die RHEINPFALZ von den Sitzungen des Ortsgemeinderats berichtete. Da hatte er sowieso alles in gut verständlicher Form zusammen – und außerdem war da seine Stimme. Zu Hörts Bekanntheit im Dorf trugen aber auch seine Ehrenämter bei: Er war nach dem Krieg Leiter der Pfadfinder im Dorf – später sogar Landessekretär –, mit denen er aus Altriper Kriegsschutt das inzwischen abgerissene Jugendheim neben der Kirche baute. Dann war er Feuerwehrkommandant, Vorsitzender und Kreisvorsitzender des „Reichsbunds für Kriegs – und Zivilbeschädigte“, kurze Zeit auch Vorsitzender der Awo im Ort, und er baute die DLRG in Waldsee auf. Von 1976 bis 1984 war Hört für die CDU im Ortsgemeinderat. Da war er schon – 1964 – als Bediensteter zur Ortsgemeinde Dudenhofen gewechselt. Zum Wahlkampf 1979 gibt es eine Geschichte, erinnert sich auch Bürgermeister Otto Reiland: „Mit anderen Wahlkämpfern fuhr er mit dem Fahrrad durchs Dorf und nutzte die Schelle, um Aufmerksamkeit zu erregen. Dem politischen Gegner gefiel das gar nicht, denn die Schelle stand schließlich im Gemeindeeigentum. Daraufhin legte er dem Bürgermeister zehn Mark als Miete für die Benutzung auf den Tisch. Es musste ein eigener Posten im Haushalt eingerichtet werden, um die Miete für die Amtsschelle zu verbuchen.“ Am 29. Dezember 2011 verstarb Nikolaus Hört. Da war schon seit Jahrzehnten seine Funktion als Verkünder der Gemeindenachrichten vom Amtsblatt übernommen worden.

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