Speyer Graf Dracula als flügellahme Ente

Axel Wilke (CDU)
Axel Wilke (CDU)

Lob für Oberbürgermeister Hansjörg Eger (CDU) und Kritik an der SPD-geführten Landesregierung gab es vom Fraktionsvorsitzenden Axel Wilke in seiner ersten Haushaltsrede. Eger habe seine Sache gut gemacht, viel bewegt in sieben Jahren. Als Beispiele nannte er die integrierte Stadtentwicklung, den Kita-Ausbau und die Flüchtlingsunterbringung. Innenminister Roger Lewentz (SPD) dagegen habe „keine Ahnung“, wenn er die These aufstelle, dass kreisfreie Städte ihre Haushalte mit Erhöhungen von Grund- und Gewerbesteuer auf den Bundesschnitt ausgleichen könnten. Der Kreis müsse Speyer in einem „fairen Lastenausgleich“ etwa bei der Schülerbeförderung und dem Bau einer neuen Rettungswache behilflich sein. Mit dem Wohnungsmarktkonzept sei Speyer auf dem richtigen Weg, wobei bei der Pilotmaßnahme im Mausbergweg der verlangte Erbbauzins angesichts der Marktsituation von den geplanten 5 auf 2 Prozent gesenkt werden müsse. Spätestens für den Haushalt 2019 müsse sich der Rat über eine Erhöhung der Sportfördermittel von heute 114.600 Euro auf 200.000 Euro unterhalten. Wilke forderte ein neues Projekt „Bewegungsförderung für Vorschulkinder“ in Kooperation mit den Sportvereinen. Die Immobilie „Tor zur Pfalz“ müsse wieder zu einem Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen gemacht werden. Dem Einzelhandel zuliebe müsse „jetzt auch mal Schluss sein mit den Großbaustellen“. OB Eger wurde aufgefordert, ein Konzept für eine bessere Breitbandversorgung der Schulen vorzulegen. Die Kritik, die Zukunft des Friedhofes „schleppe“ sich dahin, zielte auf das Dezernat der Beigeordneten Stefanie Seiler (SPD). Die SPD-Fraktion stimmte dem Haushalt zu, wobei sie Ausgaben für den Flugplatz ablehnte und vier zusätzliche Stellen für das Ordnungsamt und das Friedhofswesen forderte. Sprecher Walter Feiniler gab einen Überblick über die Themen, die den Sozialdemokraten besonders am Herzen liegen. „Schwerpunkt sozialdemokratischer Kommunalpolitik ist die soziale Stadt. Dazu gehört bezahlbarer Wohnraum“, betonte er. Dabei gebe es neuerdings „Licht am Horizont“ auch dank der auf SPD-Anregung durchgesetzten Sozialquote von 30 Prozent bei Neubauprojekten. Feiniler regte zudem die verbilligte Vergabe städtischer Grundstücke an. Hier gelte wie auch für andere Projekte: „Die schwarze Null kann nicht Leitmotiv für unser politisches Handeln sein.“ Die Stadt müsse auf Teamarbeit und Vernetzung auch mit Nachbarn, Land und Bund aus sein, statt parteipolitisches Schwarzer-Peter-Spiel zu inszenieren. Um die Verkehrssituation zu verbessern, müsse die Bedeutung des Autos zurückgedrängt werden: Dazu gehöre ein Umbau im Bereich Gilgenstraße/Postplatz ebenso wie ein Parkverbot auf Rad- und Gehwegen, Freiflächen und Plätzen. Größeres Gewicht solle der Friedhofs- und Grünstättenplanung beigemessen werden, das Dezernat der Beigeordneten Stefanie Seiler (SPD) sei da auf dem richtigen Weg. Feiniler erinnerte an seine Forderungen nach einer Landesgartenschau und einem langfristigen städtebaulichen Konzept. Er regte ein „Sonderprogramm Schulsozialarbeit“ und ein inklusives Tourismuskonzept ein. Die Osthalle müsse durch bauliche Maßnahmen für alle Sportarten, auch Gewichtheben, nutzbar gemacht werden. Mit Ausnahme der Ausgaben für den Flugplatz stimmte die Fraktion von Sprecherin Irmgard Münch-Weinmann dem Haushalt zu. Sie brachte dennoch mehrere Verbesserungsideen ein. „Keine überflüssigen Ausgaben“, sagte sie im Hinblick auf den Umbau des Adenauerpark-Vorplatzes. Bei der Verkehrsplanung werde Geld für „nicht praxisgerechte Umsetzungen“ ausgegeben; Beispiel: die Einmündung Hirschgraben. Der Sozialausschuss müsse häufiger tagen, die Speyerer Freiwilligenagentur weiterentwickelt werden. Beim „Einheimischenmodell“ für die Vergabe von Wohnraum sollten auch Ehrenamtler bevorzugt werden. Die Vorteile des Konzepts „Grün in die Stadt“ sollten stärker sichtbar werden. Münch-Weinmann regte Modelle zur Dach- und Fassadenbegrünung, die gezielte Förderung der Artenvielfalt und neue Stadtgartenprojekte an. Eine Idee: ein städtischer Wettbewerb „Vorgärten neu gestalten mit biologischer Vielfalt“. Noch weiter reicht die Grünen-Vision für 2030: „Offenlegung des Speyerbachs“. Bei der Gewerbeentwicklung solle stärker mit dem Umland kooperiert und nicht zu allem Ja gesagt werden: „Ein großes Gewerbegebäude auf einer Ausgleichsfläche widerspricht absolut unserem ökologischen Anspruch“ – ein Hinweis auf das Verfahren zum nicht namentlich genannten Unternehmen PM-International. Im Nahverkehr solle es von Diesel- hin zu Elektrobussen gehen und Sozialtickets geben, die Jugendförderung solle Angebote im Bereich Umweltschutz hinzunehmen. Oberbürgermeister Eger habe in den sieben Jahren seiner Amtszeit nicht einmal den „Versuch einer Lösung“ der dramatischen Haushaltssituation gestartet, kritisierte Fraktionsvorsitzende Sandra Selg. 25 Millionen Euro Schulden seien in dieser Zeit dazugekommen. Zudem seien fast 50 Millionen Euro städtisches Eigenkapital verbraucht worden. „Ihnen, sehr geehrter Herr Eger, die Finanzen der Stadt anzuvertrauen, ist so, als hätte man Graf Dracula zum Direktor einer Blutbank bestellt“, sagte sie. Vom Land werde es sicher wieder eine Ohrfeige für die Schieflage geben; der Etat sei rechtswidrig. „Erst die Pflicht, dann die Kür“, mahnte Selg, die der Verwaltung „Ignoranz und Geldverschwendung“ vorwarf. Dies zeige sich bei den unnötigen Umbauplänen für den Vorplatz des Adenauerparks, drei Radverkehrskonzepten, „hilflos“ wirkenden Versuchen, einen Fremdenverkehrsbeitrag einzuführen, dem Stadtmarketingprozess und dem Umgang mit Investoren. Eger habe auch beim Personalmanagement im Rathaus keine glückliche Hand und mit seiner Bauverwaltung etwa die Projekte PM-International und Armensünderweg schlecht vorbereitet. Der reiche Rhein-Pfalz-Kreis müsse stärker an den Schulkosten beteiligt werden. Eger habe zu wenig getan, um das Missverhältnis zu beseitigen. Sprecher Claus Ableiter beklagte „schlimme“ Entwicklungen: „Das Defizit steigt und steigt.“ Dabei boomten die Wirtschaft und die Steuereinnahmen, und die Zinsen seien historisch niedrig. „Das Allerschlimmste ist, dass laufende Ausgaben durch Schulden finanziert werden.“ Bis 2021 erhöhten sich diese sogenannten Liquiditätskredite laut Grobplanung nochmals um rund 60 Millionen Euro, das sei unerträglich. Ableiters Ansatz: die Steuereinnahmen erhöhen, vor allem über die Gewerbesteuer, was durch Neuansiedlung möglich sei. Zu diesem Zweck müsse der Industriehof erhalten und dürfe nicht „Investoren in den Rachen geworfen werden“, müsse die Stadt ein Konzept für die Erweiterung der Firma PM-International vorlegen, das ihrer Verantwortung gegenüber Umwelt, Stadtrat und Unternehmen gerecht werde, und müsse nach dem Zweibrücker Vorbild der Flugplatz zum Gewerbegebiet werden: „Ein Riesen-Potenzial, die Flächen könnten vor allem an Mittelständler vergeben werden; die heutige Nutzung ist falsch“, so Ableiter. Die vergangenen acht Jahre seien für Speyer verlorene Jahre gewesen. „Phönix entpuppt sich als flügellahme Ente“, sagte Wolfgang Förster, dessen Fraktion den Haushalt ablehnte. Er bezog dies auf frühere Träume vom Haushaltsausgleich, die ein erhöhtes Defizit nun jäh beendet habe. „Sparhaushalte und Null-Schulden-Ziele werden uns nicht dabei helfen, Speyer zu einer lebenswerten Stadt zu machen“, so Förster, der mehrere Weichen falsch gestellt sieht: Es seien mehr Investitionen in Schulen, Kitas und eine bessere Personalausstattung der Verwaltung nötig. Die kommunale Verschuldung dürfe dafür ruhig erhöht werden, weil ihr auch Vermögen gegenüberstehe. Förster bemängelte eine „verfehlte Wohnungsbaupolitik“, bei der immer noch zu wenig Augenmerk auf sozialen Wohnungsbau gelegt werde. So drohe der Charme der Stadt verloren zu gehen, wenn die Speyerer in die Umlandgemeinden abwandern müssten. Die städtischen Verkehrsprobleme löse das auch nicht, ein neuer Pendelverkehr entstehe. Der öffentliche Nahverkehr sei zu schwach. Förster bezweifelte, dass die große Koalition im Rathaus das Ruder herumreißen könne. Sie sei zerstritten. „Hier noch von einer Koalition zu reden, grenzt schon an Wirklichkeitsverweigerung.“ Die „Eger’sche Stadtführung“ habe in den vergangenen Jahren „aus unserer Sicht wenig Sinnvolles bewirkt“, sagte Reinhard Mohler. Das Haushaltsdefizit nehme ständig zu, die Vermüllung der Stadt werde nicht behoben, Versuche zur Kontrolle des ruhenden Verkehrs in der Innenstadt sowie allgemein zur Lärm- und Verkehrsberuhigung blieben unbefriedigend. Bei der Suche nach Möglichkeiten, den Schwerlastverkehr umzuleiten, zeige die Stadtführung eine „gestalterische Flexibilität ähnlich einem 20-Tonnen-Amboss“. Er müsse seit 2014 „die gleichen Themen und Probleme wie bisher jedes Jahr“ erwähnen, so Mohler. Nötig seien außerdem eine neue bauliche Gesamtkonzeption und ein Planungs- und Gestaltungsbeirat für Speyer. Der kommunale Vollzugsdienst sei mit nur sechs Mitarbeitern „geradezu lächerlich dünn besetzt“. Die Stadt benötige einen Oberbürgermeister, „der Bürgernähe mit praktikablen Zukunftsvisionen vereint.“ Es lasse sich „kein greifbarer Plan der großen Koalition wiederfinden“. So begründete Mike Oehlmann seine Ablehnung des Haushaltsplans. Er mahnte Ausgabendisziplin an, um in Zeiten steigender Kreditzinsen oder lahmender Konjunktur die Zukunft der Stadt nicht zu verspielen. Er nahm dazu vor allem die Wirtschaftsförderung in die Pflicht: Ihr gelinge es derzeit weder, ertragreiche Unternehmen anzulocken, noch „vernünftige Bestandspflege zu betreiben“. Sie müsse aufgewertet werden, brauche „zumindest den gleichen Stellenwert wie der Wohnungsbau“. Den Anstieg der Personalkosten müsse die Stadt durch eine „schlüssige Optimierung der Fachbereiche“ in der Verwaltung erreichen. Derzeit fehle es an der Bereitschaft zu übergreifender Zusammenarbeit, so Oehlmann. Es müsse eine Trendwende her. Dritter Ansatz: Verhandlungen mit Land und Kreis treffen, um den Zuschussbedarf für die Schulen und die Schülerbeförderung, der sich allein 2018 auf 10 Millionen Euro belaufe, zu mindern. Der Rhein-Pfalz-Kreis müsse die Beförderung seiner Schüler mittragen.

Walter Feiniler (SPD)
Walter Feiniler (SPD)
Sandra Selg (SWG)
Sandra Selg (SWG)
Claus Ableiter (BGS)
Claus Ableiter (BGS)
Mike Oehlmann (FDP)
Mike Oehlmann (FDP)
Münch-Weinmann (Grüne)
Münch-Weinmann (Grüne)
W. Förster (Die Linke)
W. Förster (Die Linke)
Digital: Haushaltsplan 2018.
Digital: Haushaltsplan 2018.
R. Mohler (FW)
R. Mohler (FW)
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