Speyer Grüne Hölle am „Sonnenhang“

Neustadts Sonnenlage, ein Haardtrand-Abschnitt zwischen der Wolfsburg und dem Ortsteil Haardt, ist die Postkartenansicht schlechthin. Doch seit langem droht sie zur grünen Hölle zu verkommen, Wildschweinplage inklusive. Guter Rat ist – wie so oft – teuer.

Geht es um den Teil des Naturschutzgebiets Haardtrand, der auf Neustadter Gemarkung liegt, kann sich Klaus Hünerfauth von der städtischen Umweltabteilung regelrecht in Rage reden. Seit Jahren bereits befasst er sich mit dem ursprünglich 65 Hektar großen Gelände, von dem der Wald inzwischen rund zwei Drittel zurückerobert hat. Es fehle an Geld, an dem politischen Willen, an einem „Kümmerer“, beklagt der Diplom-Geograf. Weshalb das auch touristisch nutzbare Kleinod Gefahr laufe, irgendwann nicht mehr als Postkartenmotiv zu taugen. Im 19. Jahrhundert war die Welt auf der Sonnenseite Neustadts noch in Ordnung. Eine terrassierte Steillage, auf der Wein angebaut wurde. Zum Schutz gegen Wildschweine einigten sich die Besitzer darauf, einen Zaun um das ganze Gebiet zu ziehen. „Damals“, erzählt Hünerfauth, „hat sich der Weinbau noch gelohnt, trotz schwieriger Arbeitsbedingungen.“ Im 20. Jahrhundert indes wurde die landwirtschaftliche Nutzung nach und nach aufgegeben. Heute gibt es nur noch ein paar verpachtete städtische Wingerte im Osten und den Weinberg von Hobby-Winzern. Die restliche Fläche hin zur Wolfsburg verbuscht immer mehr, wird zum Paradies für die ohnehin zu zahlreichen Wildschweine. Umweltabteilung und einige Betroffene versuchen dagegenzuhalten, trotz der aus Hünerfauths Sicht widrigen Umstände. Es scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Rund 95 Prozent des noch nicht vom Wald zurückeroberten Bergs sind Hünerfauth zufolge in Privatbesitz, die Interessenlagen unterschiedlich. Die Spanne reicht von Grundstücken, die an Häuser in der Sauterstraße anschließen, bis zum Wochenendareal oder den Wingerten der Hobby-Winzer und der Internationalen Schule. Dort, wo die Stadt im Spiel ist, wie nahe der Wolfsburg, versucht das Umweltamt, der Verbuschung Herr zu werden. Schafe und Ziegen als Weidetiere gehören dazu. Doch so schnell, wie die Natur zurückschlägt, kommen Tiere und Freischneider nicht nach. Ein Masterplan müsste her. Den gab es 1988 schon einmal, doch wurde er nie umgesetzt. Was die Situation weiter verkompliziert: 1994 wurde das Areal zum Naturschutzgebiet, seit einigen Jahren ist es auch denkmalgeschützt und EU-Vogelschutzgebiet. Daher spricht die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd als Obere Naturschutzbehörde immer mit. Unterschiedliche Interessen müssen gegeneinander abgewogen, Auflagen eingehalten werden. Hünerfauth macht das an Beispielen deutlich. Erstens: Sollen Gehölze beseitigt werden, kann das Vögel stören und den Artenschutz auf den Plan rufen. Zweitens: Versuchen Akteure wie die Hobby-Winzer, ihre Anlage durch Baustahlmatten vor Wildschweinen zu schützen, braucht es dafür eine bau- und naturschutzrechtliche Genehmigung. Zwar hätten Naturschutzbeirat, Umweltabteilung und -ausschuss bereits Vorstöße unternommen, die Schutzgebietsverordnung flexibler zu gestalten. Doch sei die Neustadter Fläche nur eine von insgesamt 40 im Naturschutzgebiet „Haardtrand“, weshalb die SGD keine Ausnahmen zulasse. „Seit wir uns mit diesem Hang beschäftigen, ist das nur Mangelverwaltung“, so Hünerfauths Erfahrung. Obwohl der Terrassenhang pfalzweit einmalig sei und zudem viel touristisches Potenzial biete. Dabei könnte der Hang ein Aushängeschild für Neustadt sein. Doch ein politisches Bekenntnis zur städtischen Sonnenseite fehle, ebenso jemand, der das Thema innerhalb der Verwaltung vorantreibe. Unter anderem daran scheiterten aus Hünerfauths Sicht auch Überlegungen für eine Bürgerinitiative zur Rettung des „Sonnenhangs“. Die Chancen, an Mittel aus dem sogenannten Ersatzgeldtopf des Landes zu kommen, stünden indes nicht schlecht. Dafür aber bräuchte es eine professionelle Planung, die wiederum Aufwand bedeuten würde. Hünerfauth: „Da beißt sich die Katze erneut in den Schwanz.“ Und was geschieht in Sachen Wildschweinplage? Bejagt werden dürfen sie in dem Gebiet nicht, weil es zu nah am Ortsrand liegt. Eine gemeinsame Zaunaktion wie anno dazumal ist wenig realistisch. Was bleibt ist die Einzelfallgenehmigung für Baustahlmatten. Oder ein Elektrozaun, mit dem sich einer der Winzer am „Sonnenhang“ beholfen hat. (ahb)

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