Speyer Furchtlos in die Opposition

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„Wir können jetzt unsere Meinung vertreten, ohne auf die andere Seite hören zu müssen“, sagt Hanna Tochtermann-Bischof im Redaktionsgespräch. Die CDU/SWG/FDP-Zusammenarbeit ist seit gut einem Monat Geschichte, SWG-Chef Frank Scheid geht in sein letztes Jahr als Beigeordneter; ihn soll ein SPD-Vertreter beerben. Posten im Rathaus zu bekleiden, sei für die SWG nicht das Entscheidende, sagt Tochtermann-Bischof, die derzeit den erkrankten Fraktionssprecher Martin Roßkopf vertritt. „Wir wollen unsere Standpunkte herausstellen und wir sind bereit, für unsere Herzensthemen richtig hart zu arbeiten.“ Dann werde der politische Verein auch in Zukunft Gehör finden, betont sie. Die SWG war schon in der alten Partnerschaft offen gegen manchen CDU-Plan und ist auch nicht so begeistert wie vielleicht erwartet auf das Unionsangebot zu einer erneuten Koalition eingegangen. „Möglicherweise hätten wir Signale anders senden können“, so Tochtermann-Bischof. Maßgeblich sei gewesen, dass bei der CDU-Offerte „das Gesamtpaket nicht gestimmt hat“. Ein Punkt: Scheid hätte seinen hauptamtlichen Posten verlieren sollen. „Es waren aber auch andere Dinge“, sagt Tochtermann-Bischof. Die SWG habe diese Unstimmigkeiten „ausdiskutiert und abgeschlossen“. Es soll nach vorne geblickt werden. Die Ratsfraktion umfasst weiterhin sechs Mitglieder, die fortan die Stadtpolitik konstruktiv-kritisch begleiten wollten und überzeugt seien, Einfluss zu behalten: „Das hat die neue Koalition versprochen“, so die 33-jährige Frontfrau. Eine exakte Agenda werde sich aus der politischen Arbeit entwickeln. Zunächst werde die Wählergruppe aber Themen im Auge behalten, die ihr schon in den vergangenen Monaten wichtig waren. Dass die Stadt bei immer mehr Projekten externe Planungsbüros einschalte, wird zum Beispiel sehr kritisch gesehen: „Das ist zum einen ein Kostenfaktor, der dem Ziel der Haushaltskonsolidierung zuwiderläuft, und zum anderen nehmen wir uns damit zum Teil selbst die Planungshoheit“, so Tochtermann-Bischof. „Eine offene Ideensammlung ist eher unser Weg“, sagt sie. Die SWG lebe dieses Prinzip: Bei ihr dürfe jedes der gut 70 Mitglieder seine Meinung sagen und politisch mitarbeiten. Monatliche Versammlungen zur Rückkopplung der Mandatsträger mit der Basis sind ein Alleinstellungsmerkmal für Tochtermann-Bischof. Darüber hinaus hätten die Aktiven, vielfach Selbstständige in Speyer, zahlreiche persönliche Kontakte, so die Schmuckdesignerin. Sehr gute Dienste leiste auch der Facebook-Auftritt des Vereins; gerade im Wahlkampf habe man davon profitiert, ist die Kommunalpolitikerin überzeugt. „Bei uns wird man auf Anhieb ernst genommen“, sagt sie und erinnert an ihre eigene politische Karriere: 2005 „aus Neugier“ dem Verein beigetreten, für den ihr Vater im Stadtrat mitarbeitete, wurde es schnell mehr: Es gab die ersten Mandate, vor drei Jahren den Einzug in den Stadtrat in der Sitzung, in der ihr Vater sein Mandat niederlegte, und jetzt den stellvertretenden Fraktionsvorsitz. „Auf die Arbeit konzentrieren“ will sich Tochtermann-Bischof nun. Als Selbstständige und junge Mutter sei das zwar eine zusätzliche Belastung, aber sie stehe gern zur Verantwortung, die sie übernommen habe. Die Unterstützung aus der SWG sei groß, viele Mitglieder brächten frische Ideen und vor allem eine „sehr gute Diskussionskultur“ ein. Innovative Ideen könnten auch ohne Posten in der Stadtspitze vertreten werden. Tochtermann-Bischof sagt, sie wisse nicht, wie Speyer und die Welt in fünf Jahren aussehen werden, eines ist für sie aber klar: „Opposition ist kein Zustand, der bei uns Schrecken hervorruft. Unsere Wähler haben kein Problem damit.“

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