Speyer freistoss:

Immer weiter liegt er in der Vergangenheit, der Weltmeisterschafts-Triumph der deuten Fußballnationalmannschaft in Brasilien, und doch machte sich dieser Tage noch einmal ein daran erinnerndes Utensil von Speyer aus auf die Reise, fast soweit wie unsere kurzbehosten Helden nach Südamerika. Gerade mit Vorhänge aufhängen beschäftigt, kletterte eine Speyererin im Westen der Stadt auf eine Leiter. Doch ähnlich hoch wie Kapitän Philipp Lahm den Pokal in den Himmel Rios reckte, was erblickte sie da hoch droben auf einem Schrank? Ein zur WM von einem Speyerer Geschäftsmann aus der Innenstadt an den Kunden verteiltes schwarz-rot-goldenes Täschchen. Der Dame des Hauses kam sofort ein Verdacht, befindet sich doch auch ihr Jüngster in Besitz eines dieser stoffigen Behältnisse. Und als der Bub vor einigen Tagen zu einem Kurzbesuch in der alten Heimat weilte, führte er dieses samt Frau und Stammhalter mit sich. Der Fall lag klar: Der Sohn musste das gute Stück aus unerfindlichen Gründen auf dem Mobiliar zwischengelagert haben. Um die Tasche dem rechtmäßigen Besitzer wieder zukommen zu lassen, packte die Speyererin zwei Tafeln Schokolade rein und schickte das Ganze dem Sohnemann auf dem Postweg nach – an den Wohnsitz in Gütersloh. Dort wunderte sich der Ex-Speyerer freilich wie die Brasilianer nach dem 1:7 im Halbfinale, und stritt, wie der Uruguayer Luis Suarez seine Beißattacke, ab, das Teil auf den Schrank gelegt zu haben, sondern ordnungsgemäß wieder nach Westfalen eingeführt zu haben. Unterdessen verhärtet sich der Verdacht gegen den zweiten Sohn des Hauses, der normalerweise für derartigen Schabernack verantwortlich zeichnet. Ob er das überreichte Stoffteil einfach an einem sicheren Ort für die nächsten Titelkämpfe in Russland aufbewahren wollte? Dass die Sportler aus Speyer und der Umgebung nicht nur außerordentlich erfolgreich abschneiden, sondern auch noch als Vorbilder dienen, ist bekanntlich nichts Neues. Dennoch seien an dieser Stelle zwei besonders erwähnenswerte Vorkommnisse hervorgehoben. Bahnübergang Mühlturmstraße, das typisch Läuten kündigt die sich bald senkende rot-weiße Schranke an. In hundert Meter Entfernung erhöht ein junger Mann mit Tennisschläger unterm Arm den Schritt, um bloß nicht zu spät zum Training auf der anderen Seite des Schienenstrangs in der Holzstraße bei Weiss-Rot zu kommen. Deutlich hörbar nähert er sich Schritt für Schritt dem Bahnübergang, vorbei an Gleichaltrigen, Müttern mit Kinderwagen. Die Schranke geht nach unten. Noch scheint das Tennistalent entschlossen, durchzuschlüpfen, hält dann aber doch noch inne, gefährdet nicht seinen nahen Wimbledonsieg, lehnt das Rackett an die Schranke und wartet geduldig das Vorbeibrausen des Güterzugs ab. Ein paar Meter weiter nördlich in der Unteren Langgasse. Wieder ein sportlicher junger Mann, diesmal einer auf dem Skateboard. Mit schnittiger Geschwindigkeit nähert er sich auf der Fahrbahn der Bahnhofstraße. Die Ampel zeigt Gelb. Die Ampel zeigt Rot. Und was macht unser Skater? Nein, er biegt nicht noch schnell um die Kurve, nein, er benutzt auch nicht auf seinem Geschoss den Gehweg, sondern hält schön brav, wie jeder Fahrradfahrer, wie jeder Mofafahrer, wie jeder Motorradfahrer, wie jeder Autofahrer, mitten auf der Fahrbahn vor dem Warnsignal an. Glücklich und gedankenversunken über so viel sportliches Verhalten, geht ein Passant auf dem Bürgersteig gegenüber seines Weges stadtauswärts. Plötzlich quert ein junger Mann auf einem BMX-Rad mit einem kühnen Sprung seine Laufbahn. Uff, grad noch mal gut gegangen und -gefahren.

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