Speyer Entwarnung am Steinhäuserwühlsee

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Schrecken am Morgen: Gestern hat ein regionaler Rundfunksender die seit langem bekannte Grundwasserbelastung mit Vinylchlorid im Speyerer Norden verkündet. Dabei sind die Messwerte im Steinhäuserwühlsee im grünen Bereich, wie Beigeordneter Frank Scheid (SWG) gestern auf Nachfrage mitteilte.

In dem Rundfunkbericht, der auch über das Internet verbreitet wird, werden namentlich nicht genannte „Kritiker“ zitiert, die über Messwerte bis zum 80-fachen des „Grenzwerts“ für das als krebserregend geltende Vinylchlorid informieren. Beigeordneter Scheid bestätigte gestern auf Anfrage seine früheren Angaben, dass es für diesen Stoff keinen gesetzlichen Grenzwert im Grundwasser gebe. Um jedoch eine Gesundheitsgefährdung für Schwimmer im ebenfalls betroffenen Steinhäuserwühlsee zu minimieren, sei für den oberflächennahen Bereich des Sees ein Richtwert von 1,5 Millionstel Gramm je Liter festgelegt worden (wir berichteten). Dieser Wert sei gemeinsam von der Stadtverwaltung, dem Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht (LUWG) sowie der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd bestimmt worden, so Scheid. Im vergangenen Sommer wurden Werte in der obersten Schicht des Sees von bis zu 1,4 Millionstel Gramm je Liter gemessen. Die potenzielle Gesundheitsgefahr durch Vinylchlorid besteht laut Scheid im Einatmen beim Schwimmen, nicht im Verschlucken von Seewasser. Erst wenn die Messwerte 1,5 Millionstel Gramm je Liter überschreiten würden, sei ein Badeverbot fällig. Die Schadstoffmessungen im Steinhäuserwühlsee werden in verschiedenen Tiefen vorgenommen. Nahe dem Seegrund liegen die für Vinylchlorid im niedrigen zweistelligen Millionstel-Gramm-Bereich pro Liter. Die für die Gesundheit von Badegästen maßgeblichen Werte werden in 30 Zentimeter Tiefe bestimmt. Um der Vinylchlorid-Belastung des Badesees entgegenzuwirken, sind im Mai zwei Tiefenwasserbelüftungsanlagen in Betrieb genommen worden (wir berichteten). Seitdem schwanken die maßgeblichen Messwerte nach Scheids Angaben zwischen rund 0,5 und 0,9 Millionstel Gramm je Liter. Bei der Untersuchung der jüngsten Probe aus 30 Zentimeter Wassertiefe am Donnerstag seien 0,47 Millionstel Gramm festgestellt worden. „Wir können also sagen, dass die Belüftungsanlagen bereits zu einer Stabilisierung der Tiefenschichtung des Sees und damit der Schadstoffwerte führen“, sagte der Beigeordnete. Das Landesumweltministerium hat diese Angaben Scheids gestern bestätigt. „Eine Gefährdung von Badegästen besteht nicht“, hieß es gestern in einer ersten Pressemitteilung. Die Kosten der Belüftung von rund einer Million Euro zahlt die Firma Siemens als Verursacher der Verunreinigung. Bis Ende 2016 werden die beiden Anlagen voraussichtlich laufen. Ab Anfang 2015 ist die Sanierung der Grundwasserbelastung südlich des Steinhäuserwühlsees vorgesehen, teilte Scheid gestern mit. Die dafür notwendige Planung will Siemens im Spätsommer oder Herbst der Stadt vorlegen. Die Bekämpfung der Verunreinigung südlich des Badesees soll dessen Belastung so weit verringern, dass die Tiefenwasserbelüftung nicht mehr notwendig sein wird. Scheid widerspricht der Darstellung von „Kritikern“ in dem Rundfunkbericht, die Stadt habe schon lange von dem Problem gewusst, aber nichts dagegen getan. Er verweist auf jahrelange Verhandlungen mit Siemens über eine Lösung für die Grundwasserbelastung bis hin zur Androhung einer Verfügung 2012, sollte es keine aktive Sanierung in Angriff nehmen. Hintergrund: Bis dahin hatte Siemens auf natürliche Abbauprozesse im Boden zu Verringerung der Belastung mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW), unter anderem Vinylchlorid, gesetzt. Andernorts habe dieses Vorgehen auch zu einer deutlichen Abnahme von Schadstoffen geführt, so Scheid. Die RHEINPFALZ hatte im März 2012 über die drohende städtische Verfügung gegen Siemens angesichts konstant hoher Schadstoffwerte berichtet. Wenige Tage darauf hat sich das Unternehmen dazu bereiterklärt, die geforderte aktive Schadstoffbekämpfung anzugehen. Damit will Siemens seiner Verantwortung für den Austritt von rund 50 Tonnen des Fettlösungsmittels Perchlorethen in den 1970er Jahren auf dem damaligen Betriebsgelände im Kreuzungsbereich von Siemens- und Landwehrstraße gerecht werden. Vinylchlorid ist ein Abbauprodukt von Perchlorethen.

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