Speyer Ein Streiter für die „reine Kultur“

„Es ist ja nicht selbstverständlich, mit 62 Jahren noch einmal so eine berufliche Chance zu bekommen.“ Mit diesen Worten hatte Clemens Jöckle vor gut zwei Jahren seine Dankbarkeit formuliert. Dankbarkeit für die neue Aufgabe, die er in der Edenkobener Villa Ludwigshöhe übernehmen sollte. Doch kurz darauf hatte er einen schweren Hirnschlag erlitten, dessen Folgen er am vergangenen Montag in einer Bad Dürkheimer Klinik im Alter von 64 Jahren erlag (wir berichteten gestern kurz auf Lokalseite 1). Auf ein eigenes Büro mit Blick auf die Rheinebene hatte der gebürtige Unterfranke sich gefreut. Ein Buch über die Geschichte der Ikonenmalerei hatte er beenden wollen. Es wäre ein weiteres in einer langen Liste von Veröffentlichungen gewesen, zu denen Kunstbücher, ein Heiligenlexikon, Monografien, Broschüren und Ausstellungskataloge zählen. So bleibt die Städtische Galerie Speyer der zentrale Punkt in Jöckles beruflichem Wirken: Von ihrer Eröffnung 2001 bis 2012 hat der Kunsthistoriker sie geleitet. Nahezu 100 Kunstausstellungen hat er in diesen elf Jahren betreut. Geriet Jöckle dabei oder bei einer der zahlreichen Ausstellungseröffnungen im Speyerer Umland, für die er einführende Worte sprach, ins Fachsimpeln, versetzte er Laien ebenso wie Experten regelmäßig ins Staunen – mit großer Sachkenntnis und einem Detailwissen, das buchstäblich keine Grenzen zu kennen schien. Jöckles Idealbild war die „reine Kultur“, und er konnte es ohne Kompromisse vertreten. Vehement konnte er sich gegen Versuche wehren, dieses Bild zu „verwässern“ – etwa durch zusätzliche gastronomische Angebote wie in der Speyerer „Kult(o)urnacht“. Dass er damit mancherorts aneckte, wusste Clemens Jöckle sehr wohl – und nahm es für seine Überzeugung in Kauf. Umso mehr dürfte ihn daher getroffen haben, dass die Stadt Speyer, in der er seit 1972 lebte, die Anzahl der Ausstellungen und die Galerie-Öffnungszeiten 2012 verringern wollte, um Geld zu sparen. Entsprechend fiel seine Formulierung aus, als er vor zwei Jahren ein Fazit zog: „Ich habe meine Milch gegeben und bin jetzt froh, den Abbau nicht verteidigen zu müssen.“ Jöckle wird am Montag, 16. Juni, 14 Uhr, auf dem Speyerer Friedhof beigesetzt. In unserer gestrigen Meldung war ein falsches Datum erschienen. Wir bitten, dieses Versehen zu entschuldigen.

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