Speyer Der erste Schlagabtausch

Stefan Bentz
Stefan Bentz

«Neuhofen.» Ein, zwei, drei, vier, fünf. Nanu, da fehlt doch ein Stuhl auf der Bühne. „Sind es nicht sechs Kandidaten“, fragt eine Frau ihren Sitznachbarn. Sind es. Aber einer weilt im Urlaub. „Der war lange gebucht, bevor dieser Termin feststand“, entschuldigt Noch-Verbandsbürgermeister Otto Reiland (CDU) Steffen Weber aus Neuhofen, der als Parteiloser bei der Wahl am 26. Mai antreten wird. Reiland ist entspannt. Er muss heute nur auf die Bühne, um die Gäste zu begrüßen. Vor fünf Jahren hat er selbst unter der Bühnenbeleuchtung und den Fragen aus dem Publikum geschwitzt – neben ihm saßen Altrips Bürgermeister Jürgen Jacob (parteilos) und Andreas Seibert (SPD). Für die Verbandsgemeinde, die damals noch Waldsee hieß, zogen drei Bewerber ums Bürgermeisteramt ins Rennen. Heuer sind es sechs. Und fünf davon bittet Moderator Oliver Sequenz wenige Minuten später zum Schlagabtausch auf die Bühne im Neuen Hof. Ein bisschen ist es wie bei Herzblatt. Nur, dass am Ende keine Susi eine Zusammenfassung geben wird. Schade eigentlich. Vielleicht hätte sie noch mal auf den Punkt gebracht, was in der fast zweieinhalbstündigen Diskussion, die zuweilen chaotisch verläuft, verloren geht. Immerhin hatten die Kandidaten die Chance, Herz zu zeigen. Ob es für die Verbandsgemeinde klopft. Und ob das Bürgermeisteramt eine Herzensangelegenheit ist. Besonders abgeklopft wird in dieser Hinsicht Thomas Hauser. Vielleicht, weil er am wenigsten da oben auf der Bühne schwitzt. Grüne Turnschuhe trägt. Und sich am Coolsten gibt. Nach dem Motto „wählt mich mal, dann schauen wir mal“, wie Roger Jentschek aus Altrip feststellt, der in der Diskussion ans Mikrofon tritt und den 51-jährigen Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste in der Verbandsgemeinde Rheinauen aus der Reserve locken will, in dem er ihm vorwirft, gar kein Wahlprogramm zu haben. Klappt aber nicht. Hauser bleibt ruhig, gibt sich als Realist und als der Verwaltungsfachmann, der er ist. „Ich bin weder stolz noch eitel“, sagt er. „Sie bekommen das, was Sie sehen. Und das bin ich.“ Hauser ist Diplomverwaltungswirt. Und während seine Herausforderer von Bürgernähe und Sicherheitsgefühlen reden, erklärt er, dass man Strukturen immer verbessern kann, dass das aber auch Geld kostet. „Ein Verbandsbürgermeister leitet eine Verwaltung – und das kann ich.“ Letztlich geht es ihm darum, das Vermächtnis von Noch-Bürgermeister Reiland zu bewahren. Es ist zu spüren, welche der Kandidaten er höchstselbst geschliffen hat. Dazu gehört auch Patrick Fassott, der ebenfalls sein Verwaltungswissen ausspielt. Der SPD-Kandidat ist Fachbereichsleiter Kommunale Betriebe in der Verbandsgemeinde Rheinauen – also auch ein Verwaltungsprofi, aber er teilt sich seinen potenziellen Wählern mehr mit als Hauser. Und auch wenn er aktuell in keinem Ort der Verbandsgemeinde wohnt, versucht der gebürtige Altriper neben seinem Fachwissen auch noch mit Heimatliebe zu punkten. Im Neuen Hof, wo er nun auf dem Podium sitzt, hat er 1991 seinen Abi-Ball gefeiert. Den „Stallgeruch“ spüre er jedes Mal, wenn er in den vier Orten der Verbandsgemeinde unterwegs sei. Und deshalb ist für ihn auch klar: Wird er gewählt, meldet er zumindest einen Nebenwohnsitz in Altrip an – bei seinen Eltern. Thomas Heinz, Stefan Bentz und Tobias Hook kämpfen als Verkaufsleiter im Bereich Lebensmittel, als Polizist und als Architekt gegen die Verwaltungsmänner an. Das bringt ihnen zuweilen mehr Herzpunkte ein als Thomas Hauser. Dafür bleiben sie in ihren Vorstellungen oft schwammig. Was bedeutet mehr Wertschätzung für die Feuerwehr, die Stefan Bentz als Verbandsbürgermeister den Wehrfrauen und -männern entgegenbringen will? Darüber wird lange geredet. Und festgehalten, dass die Wehren in der Verbandsgemeinde Rheinauen gut aufgestellt sind. „Ich glaube nicht, dass dort Tristesse herrscht und Tränen fließen“, sagt Patrick Fassott. „Es geht nicht nur um Materielles“, entgegnet Bentz, der die Wehren zur „Chefsache“ machen will. Um was dann zu tun? Das bleibt offen. Themenwechsel. Ein anderer und vielleicht besserer Diskussionsansatz bieten die Bürgerbüros in den Ortsgemeinden mit ihren unterschiedlichen Zuständigkeiten und unbefriedigenden Öffnungszeiten. Denn mit Bürgerbüros können Bürgermeisterkandidaten Bürgernähe zeigen. Selbst Hauser gibt zu, dass die Strukturen verbesserungswürdig sind. Einig sind sich alle, dass man überdenken sollte wie optimale Öffnungszeiten aussehen – damit auch Berufstätige eine Chance haben, Anträge zu stellen und Pässe zu verlängern. „In Sachen Bürgernähe hat uns die Fusion nicht weitergebracht“, erkennt Fassott. „Die Verbandsgemeinde ist vor allem dafür da, dass die Bürger 100 Prozent Leistung bekommen.“ Hauser bringt die Idee eines „Dienstleistungsabends“ für die gesamte Verwaltung ins Spiel. Was aber bringt das, wenn es nicht genügend Personal gibt? Und überhaupt: Müsste man nicht mehr Allrounder unter den Mitarbeitern haben – damit die Bürger nicht für jede Angelegenheit in ein anderes Rathaus müssen? Denn die Fahrten zu den Bürgerbüros können anstrengend sein. Und damit sind die fünf bei einem anderen Punkt. Und zwar beim Nahverkehr. „45 Minuten von Altrip nach Waldsee, das ist zu lang“, sagt Thomas Heinz – mit den Öffentlichen, versteht sich. Wie aber Abhilfe schaffen? Wie die Taktung erhöhen? Fassott denkt derweil an einen Bürgerbus. Aber nicht an einen in jedem Ort, sondern an einen für die gesamte Verbandsgemeinde. Vor allem aber wabert die im Rhein-Pfalz-Kreis wieder aufkeimende Idee eines Straßenbahnanschlusses der Verbandsgemeinde durch den Saal im Neuhofener Bürgerhaus. Der Gedanke daran versetzt auch das Publikum in Unruhe. Versprechen wollen die Kandidaten aber an diesem Abend nichts. Dafür sind sie aktuell zu weit weg von den Entscheidern – und ohnehin auch abhängig von übergeordneten Instanzen. „Oder einem Nahverkehrsplan des Kreises“, wie Hauser und Hook anmerken. Aber auch, wenn die Strecken zwischen den Rheinauen-Orten nicht kleiner, so sollen die Wege zwischen ihnen in den kommenden Jahren doch kürzer werden. Das wünschen sich die Kandidaten. Stichwort Identität. „Jetzt wird es Zeit, die Verbandsgemeinde zu leben“, sagt Thomas Heinz, „vielleicht mit einem Rheinauen-Fest?“ Und auch Tobias Hook, der über den Abend relativ viel schweigt, kommt zum Ende der Diskussion mehr in Fahrt. Seinen Appell, das Kreuz am 26. Mai an seinen Namen zu machen, formuliert er auf Pfälzisch: „Ich kumm vun do, ich wohn do – und ich bleib a do.“ Ein Versprechen. Und ein Wunsch. Denn noch ist der Polder-Streit mit dem Land nicht ausgestanden. Und damit droht Altrip zwar nicht gleich der Untergang. Zumindest aber eine Überschwemmung. Nasse Füße mag keiner der Kandidaten kriegen – und einhellig beteuern sie, den Kampf gegen den Polder zu unterstützen – sollten sie denn Verbandsbürgermeister werden. Das gleiche beim Erdöl. „Davon gibt es in der Welt genug“, resümiert Hauser. Und ehe ein Kandidat trotz der Hitze im Saal kalte Füße bekommt, gehen die Scheinwerfer aus. Der Abend ist abmoderiert. Und fünf, vier, drei, zwei, eins – die Stühle leeren sich.

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