Speyer Bleibt seiner Herzenssache treu

Für Friedhelm Schneider beginnt heute eine neue Zeitrechnung. Gestern hat er die Tür zum letzten Mal geschlossen, hinter der sich der Friedenspfarrer der evangelischen Landeskirche mehr als 32 Jahre lang für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und gegen Rüstungsexporte eingesetzt hat. International will er seine Mission fortsetzen. Privat soll mehr Zeit für die Enkel bleiben.

„In drei Jahrzehnten hat sich ganz schön was angesammelt“: Schneider blickt auf Kartons voller Ordner, die sein Büro in der dritten Etage in der Großen Himmelsgasse vollständig ausfüllen. Seit ihrer Gründung 1983 habe er die hier angesiedelte Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz geleitet, erklärt er die Vielzahl der Akten. Geschaffen worden sei die Stelle, nachdem die Anzahl der Kriegsdienstverweigerer Anfang der 1980er Jahre deutlich zugenommen habe, erinnert Schneider an die aktive Friedensbewegung dieser Zeit. „Die Zivis brauchten angemessene Begleitung.“ Schneider ist für klare Aussagen und Angebote, die sich an der christlichen Ethik orientieren. Für ihn sind Rüstungsexporte „Brandbeschleuniger“. Alle 14 Minuten sterbe ein Mensch durch eine deutsche Kugel, macht der Friedenspfarrer deutlich, was er für einen „zum Himmel schreienden Skandal“ hält. Statt der schleichenden Gewöhnung an Gewalt tatenlos zuzusehen habe er sich stets bemüht, sie zu überwinden. „Wir müssen dafür sorgen, dass Militäreinsätze erst gar nicht notwendig werden“, wirbt er für Lösungen, die keine Todesopfer fordern. Frieden, Gerechtigkeit und Wahrung der Schöpfung zählt er zu seinen Herzensanliegen. Dass er den Frieden nicht über der gesamten Pfalz ausbreiten konnte, bedauert er. Als Präsident des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung in Brüssel will der pfälzische Friedenspfarrer weitere zwei Jahre ehrenamtlich tätig sein. Seit vier Jahren ist Schneider oberster Ansprechpartner für Kriegsdienstverweigerer in den 47 Mitgliedstaaten des 1949 gegründeten Europarats. „Dem Frieden Gehör verschaffen und die Stimme für ihn erheben“: Dafür sei er vor mehr als drei Jahrzehnten angetreten, fasst der Theologe zusammen, was er nicht müde werde zu tun. Kriegsdienstverweigerung sei ein Menschenrecht, das er in ganz Europa durchsetzen wolle. „Junge Menschen brauchen Friedensimpulse“, kritisiert er die Schulen, die Bundeswehr-Werbung in Abschlussklassen zuließen und Pazifismus zu wenig in ihren Unterrichtsplänen berücksichtigten. Geleitet von seinem Glauben steht Schneider auch nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand für Gewaltfreiheit. „Das kann man nicht einfach an der Bürotür abgeben“, erklärt er den Beruf, der längst zur Berufung geworden ist. Ihn habe das Theologiestudium vor dem Grundwehrdienst bewahrt, sagt der gebürtige Aachener. Dass sich beide Söhne für Zivil- statt Wehrdienst entschieden hätten, nennt er „Glück“. 32 Berufsjahre, in denen er viel bewegt, einige in ihrer Friedensmeinung bestärkt und manche zum Nachdenken gebracht habe, machten zufrieden, sagt der Friedenspfarrer. Etwa 400 Jugendliche habe er in ihrem Auslandsdienst begleitet, erinnert er sich. Dass die Arbeitsstelle auch nach seinem Ausscheiden erhalten bleibe, helfe ihm maßgeblich beim Loslassen. Künftig will der Friedenspfarrer reisen, sich mit Fotografie beschäftigen und sein zweites Buch herausgeben. In Speyer wolle er bleiben, betont er. Mit Spannung warte er auf die erste Ausstellung über pfälzische Friedensstifter im Historischen Museum, sagt Schneider. „Das ist lange überfällig.“ Dem Auszug der Bundeswehr aus der Speyerer Kaserne sieht er mit Freude entgegen. „Dann werden Flächen frei für friedliches miteinander Wohnen, Arbeiten und Leben.“ Friedhelm Schneider bleibt seiner Herzenssache treu ...

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