Speyer „Am besten hat man kein soziales Umfeld“

Unter dem Titel „Agentenleben“ spricht der Spionage-Experte Ingo Mersmann am Donnerstag, 26. November, 19 Uhr, im Historischen Museum der Pfalz in Speyer über die Arbeit von Geheimdiensten. Der Eintritt zu dem Vortrag zur Ausstellung „Detektive, Agenten & Spione“ ist frei. Unsere Mitarbeiterin Anne Kirchberg hat vorab mit Mersmann gesprochen.

Dürfen Sie als ehemaliger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) über alles sprechen, was Sie erlebt haben?

Nein, grundsätzlich besteht eine Schweigepflicht bis zum Lebensende. Ich hatte jedoch großes Glück und wurde davon in gewissen Bereichen befreit. In Rahmen der „Top Secret“-Ausstellung in Oberhausen musste ich Geschichten erzählen dürfen und erhielt hierfür als bisher Erster und Einziger in gewissen Bereichen eine Befreiung von der Schweigepflicht. In Speyer sprechen Sie vor allem über das Agentenleben. Ist das ein empfehlenswerter Beruf? Spannend ist er in jedem Fall, aber die Schwierigkeit eines solchen Berufes ist das Leben in zwei Welten. Man ist Wissenschaftler, Techniker oder Kaufmann in der einer Welt und bewegt sich unter anderem Namen in einer versteckten Welt mit anderer Identität. Das bringt große Probleme mit sich, weil die eigene Familie davon nichts wissen darf. Dies zu verstecken, ist nicht einfach, und der psychologische Druck, niemandem etwas von seiner Arbeit erzählen zu dürfen, ist immens. Am besten hat man deshalb kein soziales Umfeld – genau wie James Bond. Hat sich die Welt der Geheimdienste in den vergangenen Jahren verändert? Die Wandlung geschieht seit vielen Jahren dahingehend, dass man versucht, den Menschen komplett zu erfassen. Die US-amerikanische Sicherheitsbehörde NSA war eine der Ersten, die das in großem Rahmen getan haben, die Deutschen tun es mit dem BND ebenfalls. Wobei der BND nur Daten im Ausland sammelt und nicht von Bundesbürgern im Inland. Hierfür ist der Verfassungsschutz zuständig. Die NSA sammelt hingegen überall Daten – und von den Chinesen spricht gar niemand, obwohl sie ein wesentlich größeres System besitzen und jede dritte Woche einen neuen Spionagesatelliten in den Weltraum schicken. Ich sehe die staatliche Erfassung trotzdem als nicht so dramatisch. Viel gefährlicher sind die privaten Sammler, wie Autoversicherungen, Facebook oder Google. Was ist an dieser Datensammlung gefährlich? Sammelt der Verfassungsschutz Daten über einen Bundesbürger, muss man zuvor aus einem bestimmten Grund irgendwie seine Aufmerksamkeit erregt haben. Bei Facebook oder Google wird jeder Nutzer ausgeleuchtet, ausgewertet, die Daten werden gespeichert und weitergegeben. Allerdings kann sich dem wohl kaum jemand entziehen, selbst wenn man auf eine einsame Insel geht, erfasst irgendein Satellit das Bewegungsprofil. Aber ich halte die demokratischen Staaten für wesentlich korrekter im Umgang mit diesen Daten als die privaten Sammler. Manche verstehen die momentane Entrüstung nicht: Wozu existieren Geheimdienste, wenn sie niemanden abhören? Eigentlich sollte die Arbeit des Geheimdienstes ja geheim bleiben. Dass solche Informationen ans Tageslicht kommen, ist nicht richtig, aber es entstehen immer Löcher. Wir in Deutschland versuchen, das Geheime öffentlich zu machen. Letztendlich ist es eine politische Entscheidung, ob die Daten verwertet werden und auf dem Tisch der Kanzlerin landen. Der BND selbst kann mit den Daten nichts anfangen. Und natürlich horchen alle anderen Länder bei uns genauso hinein und haben unsere Regierung im Visier. (akk)

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