Speyer Von Russland nach Amerika

Unnachahmlich einvernehmlich: das Eliot-Quartett mit der Flötistin Kathrin Christians und Jon Diven am Kontrabass.
Unnachahmlich einvernehmlich: das Eliot-Quartett mit der Flötistin Kathrin Christians und Jon Diven am Kontrabass.

Das Abschlusskonzert der ambitionierten und in Blickrichtung Neue Musik höchst segensreichen Reihe „Kontrapunkte Speyer“ präsentierte nochmals Kammermusik aus der Nobeletage der jungen Musikszene. Zu Gast im Historischen Ratssaal waren gemeinsam mit dem aufstrebenden Eliot-Quartett die junge Star-Flötistin Kathrin Christians und Jon Diven, Genre-Multitalent von internationalem Zuschnitt am Kontrabass.

„Bridging and Branching“ – der Titel des 1986 komponierten collagenartigen Stücks von Thomas Jefferson Anderson war gleichzeitig programmaischer Leitfaden. Die vielleicht signifikantestes „Brücke“ in dieser musikalischen Momentaufnahme verband Publikum und Ausführende, deren hochkarätige Performance höchst spannungsreiche Erlebnisräume öffnete. Und auf Fährten zu immer neuen, aufregenden „Nebenwegen“ im klangvirtuosen Gesamtkosmos wies. Der äußerst artifizielle Dialog, in den Anderson Flöte und Kontrabass verwickelt, spielt lustvoll mit spektakulären Spielweisen, mit Flatterzunge, Flageoletts, auch mal einer Pirouetten-Drehung des sonoren „Bass-Babys“, das (mit abgesenkter Stimmung) grollenden Gewitterdonner unter die wachen Flötenfiguren fegt. Immer aber auch treffen sich die Beiden auf höchst geistreiche Weise, imitieren einander, verzahnen sich, werfen ihre mit Witz und Verve angereicherte Rhetorik wie Hagelschläge in den musikalischen Ring. Der 1944 geborene Michael Nyman, nicht zuletzt als Filmkomponist unter anderem für Peter Greenaway und Jane Campion zu Weltruhm gelangt, bescherte der brillanten auftrumpfenden Kathrin Christians und ihrem Ensemble im Konzert für Flöte und Streicher eine geradezu fulminante Spielwiese für musikantischen Elan bis zur Ekstase, rhythmischen Rausch und herzpochendes Jazz-Feeling. Die fabelhaften Solisten Kathrin Christians und Jon Diven flankierten das aufstrebende Eliot-Quartett mit Maryana Osipova und Alexander Sachs, Violine, Dmitry Hahalin, Viola, und Michael Preuß, Cello. Und schon bei der „Suite module“ des jüdisch-amerikanischen Komponisten Ernest Bloch mit ihrer fast orthodox anmutenden kirchentönigen Harmonik korrespondierten die sechs Künstler in unnachahmlich einvernehmlichem Gestus miteinander, verzahnten ihre subtilen, pastos ausbalancierten Dispute auch im scheinbar virtuosen Gegeneinander zu brillanten Klanggeweben. Und spürten auf fast schmerzliche Weise der nie versiegenden Melancholie, der samtweichen Schwermut des jüdisch geprägten Melos nach. Im Zentrum des Abends behauptete sich Sergej Prokofiews Streichquartett Nr. 2 F-Dur, erdacht im kaukasischen Kriegseinsatz 1941, in der eindrucksvoll kompromisslosen Interpretation des jungen Eliot-Quartetts. Auch wenn der berückende Schmelz des Adagio beredt Zeugnis gab vom bemerkenswert gerundeten Ensembleklang – was echte Adrenalin-Schübe auslöste, war das kraftvoll zupackende Draufgängertum der jungen Musiker in den Ecksätzen; das temperamentvoll überbordende und doch sorgsam gezügelte Eigenleben der Turbulenzen auf dem Griffbrett. Und auch, dass, ungeachtet des derb folkloristischen Impetus und der sich zu burlesker Ekstase beschleunigenden Rhythmik die Hoheit klanglicher Noblesse nie auf der Strecke blieb. Stefan Rahn, Spiritus Rector der Reihe, hatte eingangs nicht zu viel versprochen. Als kostbares kleines Ereignis bleibt er im Gedächtnis, dieser Abend im voll besetzten Kammermusiksaal des Rathauses.

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