Speyer Die Zerreißprobe

Auflegen oder einrollen: Landwirte müssen derzeit abwägen. Ist der Schaden größer, weil Folien wegfliegen? Oder, weil die schütz
Auflegen oder einrollen: Landwirte müssen derzeit abwägen. Ist der Schaden größer, weil Folien wegfliegen? Oder, weil die schützende Hülle den Pflanzen fehlt?

«Mutterstadt/Böhl-Iggelheim.» Der Rhein-Pfalz-Kreis, unendliche Weiten, unzählige Felder. Und Folien. Wir schreiben März 2019. Es ist ein stürmischer Auftakt ins Frühjahr. „Eine blöde Zeit“, sagt Hartmut Magin aus Mutterstadt. Er ist Landwirt und Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Pfälzer Grumbeere. Und er ist genervt. Weil das Wetter macht, was es will. Dabei ist nicht mal April. „Wir sind hin- und hergerissen, was wir jetzt tun sollen“, sagt Magin. „Wieder abdecken? Oder besser abwarten?“ Landwirte in Entscheidungsnot: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um neue Folien auszulegen? Wie heftig wird der nächste Sturm? Wie kalt wird es? Und können Jungpflanzen wohl ein paar Tage ohne Schutz auskommen? „Das ist jetzt echt so ein Psychoding. Und es ist gutes Wetterfeeling gefragt.“ In Magins Betrieb sind allein zehn Mann damit beschäftigt, Schäden vom letzten Sturm zu beseitigen. Tief Eberhard hat auf den unendlichen Weiten und unzähligen Feldern im Gemüsekreis böse gewütet. Folien sind zerfetzt. Dämme eingedrückt. Und dann liegen auf den Feldern auch noch Dinge, die da nicht hingehören. Treibgut sozusagen. „Ich muss weit zurückdenken, um mich überhaupt mal an so einen heftigen Sturm zu erinnern“, sagt Magin. Mit solchen Auswirkungen. Vor allem sei das windige Wetter untypisch für diese Jahreszeit. Und unstet ist es obendrein. Die Wetter-Apps kommen gar nicht nach mit dem Bildertausch: Sonne gegen Wolken gegen Windhose ... Bemerkenswert ist die Intensität, findet Johannes Zehfuß. „Da ist nicht mal eben einfach ein Sturm über uns hinweggefegt. Und gut war. Nein, das ging über Stunden.“ Zudem hätten die Böen aus wechselnden Richtungen angegriffen. „Es hat von allen Seiten an den Folien gezerrt.“ Der Böhl-Iggelheimer Landwirt wundert sich also nicht, dass so manche Plastikplane durch die Luft segelte. Trotz aller Bemühungen, sie gut zu sichern. „Und auf den Feldern sieht es aus wie nach einer Schlacht.“ Ein Folien-Fiasko. Rund 50 Prozent seiner Planen haben die Zerreißprobe nicht bestanden, befürchtet Zehfuß. Befestigt werden Folien mit Erde und Säcken. Die Ränder werden angepflügt. Allerdings ist die Erde laut Zehfuß derzeit trocken und damit auch leicht. „Das ist Punkt eins. Punkt zwei ist die wechselnde Angriffsfläche. Dadurch sind Folien einfach gerissen.“ Die Planen habe es teils regelrecht nach oben gezogen – als sei ein riesiger Staubsauger am Werk. „Da können Sie befestigen, wie sie wollen – es hilft nichts.“ Johannes Zehfuß war am Sonntag draußen, ist Kontrolle gefahren. Wie viele seiner Kollegen. „Da war ganz schön Betrieb im Feld.“ Landwirte haften für ihre Folien. Sind verantwortlich, dass nichts passiert. „Allerdings gibt es auch einen Haftungsausschluss. Nämlich bei Stürmen von Orkanstärke.“ Als Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbands kennt sich Zehfuß mit rechtlichen Bestimmungen aus. Und er hofft, seine Kollegen tun das auch. „Zumindest eine Betriebshaftpflicht sollte jeder haben. Die steht gerade, wenn etwas passiert.“ Und ein Schaden kann schnell in die Tausende gehen, wenn sich etwa eine Folie in einer Leitung verheddert und die Stromversorgung einer ganzen Gemeinde unterbrochen wird. Eine Folie in einer Leitung kann sogar tödlich sein. Zehfuß warnt ausdrücklich. „Sie leitet gering, aber bei den Voltzahlen besteht trotzdem höchste Gefahr.“ Finger weg. Feuerwehr oder Polizei verständigen, lautet sein Rat. Vernünftig sein und mitdenken – das verlangt der Landwirt schon auch von seinen Mitmenschen. „Man sollte angepasst fahren, wenn es dermaßen stürmt.“ Er habe Leitpfosten auf der Straße liegen sehen, dann könne man auch damit rechnen, dass ein Stück Plastik durch die Gegend segelt. „Das soll keine Entschuldigung sein, ist aber auch ein Teil der Wahrheit.“ Im Märzen der Bauer die Folie ausrollt – spätestens nächste Woche wieder, meint Zehfuß. Zurzeit gibt es nämlich kaum ein junges Gemüse, das nicht darunter groß werden soll. Für einen frühen Saisonauftakt. Der Rhein-Pfalz-Kreis eben, unendliche Weiten, unzählige Felder. Und Folien.

Gut verpackt: Folienschutz lässt Kulturen auf dem Feld schneller reifen.
Gut verpackt: Folienschutz lässt Kulturen auf dem Feld schneller reifen.
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