Rhein-Pfalz Kreis Zauberhaft tödlich

Immergrün, leuchtend rote Beeren und mit Vorsicht zu genießen – eine Eibe im Rhein-Pfalz-Kreis-Wald.
Immergrün, leuchtend rote Beeren und mit Vorsicht zu genießen – eine Eibe im Rhein-Pfalz-Kreis-Wald.

«Schifferstadt.» Wir müssen schon ein bisschen suchen, bis wir überhaupt eine Eibe finden. Erst recht eine mit charakteristisch leuchtend roten Beeren, die wachsen nämlich nur an den weiblichen Bäumen. Ja, obwohl es d i e Eibe heißt, kann sie auch ein Er sein. Und sie wie er sind selten. „Ausgerottet bis auf ein paar wenige Relikte“, sagt Volker Westermann. Der Bildungsförster vom Forstamt Pfälzer Rheinauen stellt uns in dieser Serie die Bäume im Rhein-Pfalz-Kreis-Wald vor – ja, selbst wenn man ein bisschen nach ihnen suchen muss. Die Eibe wurde nicht etwa ausgerottet, weil sie so giftig ist, sondern weil ihr Holz so harzfrei, äußerst zäh und extrem elastisch ist. Der Eibenholz-Hype liegt allerdings schon ein paar Jahre zurück. „Es ist das Holz für den Bogenbau und war im Mittelalter ein begehrter Exportschlager. Das Holz ging vor allem nach England“, berichtet Westermann. Und wir denken sofort an Robin Hood und den Sherwood Forest und meinen das Sirren der Pfeile in der Luft zu hören. Aber kein Held in Sicht. Dafür endlich eine Eibe. Ein bisschen kümmerlich sieht das Exemplar ja aus. Klein und ungefährlich. Eiben wachsen ganz langsam. „Es dauert ewig, bis man einen Baum hat, dessen Holz überhaupt verwertbar ist“, erklärt der Förster. „Man braucht jahrhundertelang Geduld.“ Ach je, aus diesem Bäumchen da vor uns wird also so schnell kein Bogen für einen Rächer der Geächteten. Aber im Rhein-Pfalz-Kreis treibt zum Glück auch kein Sheriff von Nottingham sein Unwesen. Zum Vergiften – um mal bei der dunklen Seite der Macht zu bleiben – reicht die Masse an Zweigen und Beeren, die da vor uns steht, durchaus aus. Schon 50 bis 100 Gramm Eibennadeln sind für den Menschen tödlich. Vergiftungssymptome sind Übelkeit, Schwindelgefühl, Bewusstlosigkeit und schließlich Tod durch Atemlähmung. Fast alle Teile der Eibe sind giftig: Das lebensgefährliche Taxin steckt in den Nadeln, im Holz und den Samen der Eibe. Einzig der leuchtend rote Fruchtmantel der Früchte ist harmlos. „Ich habe ihn schon probiert“, sagt Westermann. „Na ja, es hat mich eben interessiert“, verteidigt er sich auf die erstaunten Blicke hin. Nicht nur todesmutige Förster, auch viele Vögel naschen von den Beeren. Sie dienen ihnen als Nahrungsquelle. Hirsche und Rehe können übrigens alles von der Eibe verputzen, wenn sie denn mögen. Allerdings dürfen sie es nicht übertreiben, Eibennadeln sind für sie ebenfalls giftig, aber nur in sehr großen Mengen. Am höchsten ist die Giftkonzentration der Eibe übrigens im Herbst und im Winter. Wie das mit giftigen Pflanzen oft so ist, können sie nicht nur schaden, sondern auch helfen, zu heilen. Anfang der 1980er-Jahre fanden Mediziner etwa heraus, dass sich aus der Eibenrinde Paclitaxel gewinnen lässt. Das Mittel wurde fortan bei Krebstherapien eingesetzt, kann aber heftige Nebenwirkungen auslösen. „Bevor die moderne Medizin Einzug hielt, haben Menschen Eibennadeln gegen Wurmbefall, als Herzmittel oder zur Förderung der Menstruation genutzt – was wegen der Giftigkeit nicht unbedingt empfehlenswert war. Viele haben sich vergiftet, anstatt sich zu heilen“, berichtet Westermann. Dann bleibt die Eibe also eher ein Baum des Todes? Der griechische Arzt Dioskurides, der im ersten Jahrhundert nach Christus lebte, warnte jedenfalls schon davor, unter einer Eibe nur zu ruhen, denn dann würden einen die Lebenskräfte verlassen. In der klassischen Mythologie beschatten Eiben den Weg zur Unterwelt. Und nach altem Volksglauben steigen durch die Wurzeln der Eiben die Seelen der Toten in die Baumwipfel und werden von dort auf den Schwingen der Vögel in den Himmel geleitet. Sind Eiben deshalb so häufig auf Friedhöfen zu finden? Vielleicht. Vielleicht werden sie dort aber extra gepflanzt, weil sie langlebig, zäh und anspruchslos an ihren Boden sind. „Eiben können uralt werden – älter als Eichen“, sagt Westermann. Er berichtet von Eiben, die über 1500 Jahre alt sind. „Damit wurden sie auch zum Sinnbild der Unsterblichkeit. Es gibt also Gründe, um an das Gute in der Eibe zu glauben und etwas Lebensbejahendes in dem Nadelbaum zu sehen. „Auf jeden Fall“, sagt Westermann und tätschelt unserer kleinen Krüppel-Eibe das Stämmchen. Den Lehren Hildegards von Bingen zufolge reicht es übrigens schon aus, einen Eibenstab in der Hand zu halten, um die Gesundheit zu fördern. Es gibt allerdings noch einen, der einen Eibenstab in seiner Hand hielt: Lord Voldemort – der schwarze Magier in den Geschichten um Harry Potter. Und Lord Voldemort hatte damit bestimmt nichts Gutes im Sinn. Ein kalter Wind zieht auf. Das Eibenbäumchen wackelt zum Abschied und wir ziehen mit gemischten Gefühlen weiter. Böse Magier mit Eibenstab wollen wir nicht treffen. Andererseits ... Wenn uns Robin Hood aus dem Schlamassel retten würde ... Autogeräusche. Sie holen uns ins Hier und Jetzt zurück. Vor uns liegt die Dudenhofener Straße. Schifferstadt. Wir sind nicht im Verbotenen Wald. Und nicht im Sherwood Forest.

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