Rhein-Pfalz Kreis Was fürs Herz

Hallo?! Was machen denn die roten Blüten im Weißdornstrauch?
Hallo?! Was machen denn die roten Blüten im Weißdornstrauch?

«Rhein-Pfalz-Kreis.» Was schön aussieht, muss nicht unbedingt gut riechen. Diese Erfahrung machen wir bei einem unserer Spaziergänge mit Volker Westermann. Der Bildungsförster des Forstamts Pfälzer Rheinauen stellt uns in dieser Serie die Baumarten im Rhein-Pfalz-Kreis vor. Und das führt mitunter eben zu einem Naserümpfen – unterm Weißdornstrauch. Blüten voller Anmut entfaltet er und dann riechen sie komisch. Pflanzenexperten vergleichen den Duft mit Heringslake, was schon ein bisschen merkwürdig ist, denn Bienen und andere Brummer stehen darauf. „Die Blüten sind für wahnsinnig viele Insekten wichtig. Wildbienen, Käfer, Schmetterlinge und Schlupfwespen“ , erklärt der Förster. Summ summ. Und wer davon mehr im Garten haben will, sollte sich einen Weißdorn setzen – und die Luft anhalten. Nein, so schlimm ist es ja gar nicht unterm Weißdornstrauch. Zumal es schon Spaß macht, die Start- und Landeanflüge der unterschiedlichsten Insekten zu beobachten. Das Pflanzen eines Weißdorns mag schon aus Gründen des Artenschutzes für so manchen eine Herzensangelegenheit sein – aber seine medizinische Kraft ist es im wahrsten Sinne des Wortes. Der Strauch mit den weißen Blüten ist heuer zur Arzneipflanze des Jahres gekürt worden. Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde der Universität Würzburg steckt hinter dieser Auszeichnung. Die er selbstverständlich begründet: „Der pflanzliche Wirkstoff wirkt sich positiv auf die Pumpleistung des Herzens aus.“ Zahlreiche Studien hätten die Wirkung von Weißdorn untersucht. Und diesen zufolge wird die Durchblutung der Herzkranzgefäße und des Herzmuskels gesteigert. Als Heilpflanze war der Weißdorn schon bei den Alten Griechen bekannt. Und ein Tee aus Blättern, Blüten und Früchten soll das Herz stärken, heißt es in der Fachliteratur, etwa in dem Buch „Mythos Baum“ von Doris Laudert. Nebenwirkungen sind keine bekannt. Steht dort geschrieben. Ob die Blüten schmecken, wie sie riechen? „Ich habe noch keinen Weißdorntee getrunken“, bekennt unser Forstexperte Volker Westermann. Vielleicht spricht ihn ein süffiger Herzwein mehr an? Dazu legt man Blüten oder Früchte des Weißdorns ein bis zwei Tage in Rebensaft ein. Hochprozentiger werden Herztropfen: Blüten, Blätter und im Herbst auch zerkleinerte Früchte werden mit Weingeist übergossen. Prost! Und wohl bekomm’s. Forsttechnisch spielt sich die Stärke des Weißdorns am Waldrand aus, wo sich die dornigen Äste mitunter zu einem undurchdringlichen Gestrüpp entwickeln. In dem jetzt, im Frühjahr, das Leben tobt. Oder besser gesagt: in dem Kleinstlebewesen toben. Summ summ. „Wir Menschen halten uns da besser raus“, sagt Westermann, „der Weißdorn hat brutale Dornen.“ Als Heckenpflanze wurde er gerade deshalb gerne gepflanzt. Grundstücke und Weideflächen erhielten stachelige Grenzen. Und was Mensch und Vieh vor wilden Tieren schützt, das hält auch Dämonen und Geister ab. So glaubten die Menschen früher und sprachen dem Weißdorn magische Kräfte zu, die das Herz, wenn auch nicht unbedingt stärkten, doch zumindest beruhigten. Tatsächlich schreiben Pfarrer Sebastian Kneipp und andere Lehrer der pflanzlichen Heilkunde dem Weißdorn Kräfte zu, die bei seelisch bedingten Krankheiten helfen, wie sie etwa Trauer und Kummer auslösen. Ein Tässchen Tee soll bei Stress und Schlafproblemen helfen. Mit dem Förster schauen wir den Bienen zu und überlegen: Sollen wir den Insekten ein paar Blüten klauen? „Weißdorn statt Augenringe“, sagt Westermann und grinst. Summ summ. Meinen wir es nur, oder wird das Gebrumme im Weißdornstrauch gerade lauter. Regt sich da etwa Protest? Bevor ein filigraner Summer oder dicker Brummer einen Herzanfall erleidet, weil wir mit dem Förster Blüten pflücken, verschieben wir das Projekt und wandern weiter. Apropos: wandern. Nicht nur der Gralsträger Josef von Arimathäa soll sich auf langen Reisen auf einen Stecken aus Weißdornholz gestützt haben. In heckenreichen Gebieten wurden noch bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts Weißdornstäbe gefertigt – sie wurden abgehackt, im Ofen des Dorfbäckers erhitzt, gerade gebogen und durch allerhand Schnitzereien verziert. Dann ging es damit auf Wanderschaft – und regelmäßiges Laufen soll bekanntlich auch gut sein, fürs Herz und für die Seele.

Die Vitamin-C-haltigen Früchte werden auch zu Mus verarbeitet.
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