Rhein-Pfalz Kreis Seilbahn statt Brücke

Endstation für Lkw: Die Hochstraße Süd ist seit Herbst 2017 für den Schwerlastverkehr gesperrt.
Endstation für Lkw: Die Hochstraße Süd ist seit Herbst 2017 für den Schwerlastverkehr gesperrt.

Die BASF erwartet „massive Beeinträchtigungen für den Güter- und Personenverkehr“. Daher laufen die Vorbereitungen für den zu erwartenden Verkehrsinfarkt beim größten Arbeitgeber in Ludwigshafen (39.000 Mitarbeiter) auf Hochtouren. Der Chemieriese schnürt nach eigenen Angaben ein „Maßnahmenpaket“. Beim Güterverkehr setzt die BASF verstärkt auf die Schiene. Verladungen sollen flexibilisiert und das Tor 15 erweitert werden, erklärt eine Unternehmenssprecherin. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut baut der Konzern zudem mobiles Arbeiten außerhalb von festen Büros weiter aus. Ein wichtiger Baustein sei auch die Inbetriebnahme des BASF-S-Bahn-Anschlusses Ende 2018 gewesen. Ob das Unternehmen damit für die langen Jahre des Straßenneubaus schon gut aufgestellt ist, sei aber wieder fraglich. „Vor dem Hintergrund der neuen Informationslage zur verschobenen Sanierung der Hochstraße Süd müssen die eingeleiteten Maßnahmen nochmals auf ihre Wirksamkeit geprüft werden“, informiert die BASF-Sprecherin. Beim Containertransporter Contargo mit Sitz im Ludwigshafener Kaiserwörth- und im Mannheimer Handelshafen (1000 Mitarbeiter) herrscht große Verwirrung über die neuesten Entscheidungen im Rathaus. Aber es werden auch Ideen geschmiedet. Nachdem die Stadtverwaltung entschieden habe, dass die Arbeiten an der Hochstraße Nord beginnen und die Sanierung der Südtrasse aufgeschoben werde, blicke keiner mehr durch, beklagt Direktor Konrad Fischer. Denn bereits heute gebe es erhebliche Behinderungen durch die Sperrung für den Schwerlastverkehr auf der Hochstraße Süd in westlicher und auf der Hochstraße Nord in östlicher Richtung. Der Manager befürchtet künftig noch mehr Probleme für Lastwagen. Die Ausweichstrecken über die Autobahnen seien zehn bis 20 Kilometer länger. Das verursache höhere Transportkosten und Emissionen, sagt Fischer. „Zurzeit prüfen wir, ob ein alternatives Zugprojekt, speziell für die Containerverkehre, zwischen dem Handelshafen Mannheim und einer Zielstelle auf Ludwigshafener Seite eine praktikable Lösung sein könnte.“ Auch ein Seilbahnprojekt für Container werde diskutiert. Damit könnten Verkehrsströme zwischen dem Hafen Mannheim und einem Zielpunkt am BASF-Werksgelände umgeleitet werden. Natürlich seien noch technische Themen zu klären, und die wirtschaftliche Nutzbarkeit müsse geprüft werden, erläutert Fischer. Speziell aus der chemischen Industrie hat die Contargo Rhein-Neckar GmbH Hinweise erhalten, dass alternative Transportwege ausgelotet werden. „Das würde für uns einen deutlichen Umsatzrückgang mit sich bringen“, betont Fischer. Das globale Pharmaunternehmen Abbvie mit 1900 Mitarbeitern in Ludwigshafen gibt sich gelassen: „Wir sind überzeugt, dass die Stadt eine für Anwohner und Unternehmen gute Lösung finden wird“, meint ein Sprecher. Man sei offen für unterschiedliche Ansätze. Abbvie fordert allerdings, „dass Mitarbeiter und Güterverkehr möglichst uneingeschränkten Zugang zum Werk haben“. Weniger Vertrauen in die Verwaltung hat die Umzugsspedition Gebrüder Bayer im Ludwigshafener Stadtteil Mundenheim. Für den 140 Jahre alten Familienbetrieb mit zwölf Mitarbeitern ist der absehbare Verkehrsinfarkt eine Katastrophe, sagt Geschäftsführer Jürgen Mayer. In den Stoßzeiten sei es jetzt schon schwer, mit den Lastern über die Brücken zu kommen. Die Sperrung beider Hochstraßen für Lkw bedeutet für die Spedition, dass der Wirtschaftsraum Mannheim/Heidelberg komplett abgeschnitten wird. Die Kundschaft in diesen Städten sei dann nur noch über lange Umwege zu erreichen. „Das ist ein Supergau“, meint Mayer. Ganz gelassen sieht ein anderer Traditionsbetrieb die künftige Verkehrslage. „Bäcker Görtz arbeitet seit 1963 in Ludwigshafen, und wir werden genauso weitermachen“, sagt Geschäftsführer Peter Görtz. Die Baustellen seien sicher eine große Aufgabe, räumt er ein. „Aber unsere Väter haben nach dem Krieg eine weitaus größere Aufgabe mit weniger Mitteln bewältigt, hieran sollten wir uns orientieren.“ Heute eröffnet der Betrieb seine 164. Filiale. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) geht unterdessen von negativen Auswirkungen auf den gesamten Wirtschaftsstandort Ludwigshafen aus. „Für die nächsten zehn Jahre fehlt jedes Verkehrskonzept für die Stadt. Das sorgt für Verärgerung und Unsicherheit“, fasst Jürgen Vogel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Pfalz, die Stimmung in vielen Unternehmen zusammen. Einige Firmen planten Standortverlagerungen. „Man ist ziemlich verschnupft, ich würde sogar von einem grippalen Infekt sprechen“, so Vogel.

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