Rhein-Pfalz Kreis Schilf steht Lekkerland-Umzug im Weg

So einfach ist es offenbar doch nicht, wie Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Bobenheim-Roxheimer Gemeinderat Mitte Oktober gehofft haben. Da hatten sie die Änderung des Bebauungsplans Südost (Gewerbegebiet Auf dem Wörth) im beschleunigten Verfahren, also ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, beschlossen. Ziel war es, eine sechs Hektar große zusammenhängende Fläche zu bekommen, auf der sich das ortsansässige Lekkerland-Logistikzentrum neu und größer ansiedeln kann. Damit sollte die Abwanderung der Niederlassung ins Eppsteiner Gebiet Am Römig verhindert werden (wir berichteten mehrfach). Einwände gegen den neuen Plan haben die Stadt Frankenthal, der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sowie Gnor (Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz) vorgebracht. Die Frankenthaler Verwaltung meldet Bedenken an, die sich, wie Bürgermeister Müller sagt, mit denen von BUND und Gnor weitgehend decken. Im Planungs- und Umweltausschuss der Stadt wurde die Stellungnahme am Dienstag vorgestellt und einhellig begrüßt. Demnach bezweifelt Frankenthal, dass es sich bei der bestehenden Grünfläche im Osten des Plangebiets um ein Areal handelt, das ohne große Umweltauswirkungen verschwinden und an anderer Stelle im Westen wieder angelegt werden kann. In der Tat handelt es sich bei dem ehemaligen Altrheingraben mit seiner Schilfstruktur um ein laut Landeskataster „schutzwürdiges Biotop“. Die Gemeinde selbst habe 2006, als das Gewerbegebiet geplant wurde, den betreffenden Grünzug als „ökologisch hochwertige Wiesenflächen“ bezeichnet. Wie passe das zur jetzigen Ansicht, dass die Beseitigung der dortigen Vegetation nicht erheblich sei, fragt sich das Stadtbauamt. Die Geländesenke sei ein regionaler Grünzug, in dem nicht gesiedelt werden dürfe. Außerdem beeinträchtige ihr Verschwinden den Biotopverbund zwischen Roxheimer Altrhein und den Landschaftsbereichen Richtung Mörsch, die ohnehin viel besser begrünt sein sollten. Die Stadt und ihr Ausschuss fordern einen landschaftspflegerischen Begleitplan, ein Artenschutzgutachten und gegebenenfalls einen Umweltbericht (siehe „Zur Sache“) Das sind schwere Geschütze, die die Nachbarstadt da auffährt und die sich die Bobenheim-Roxheimer vermutlich damit erklären werden, dass Frankenthal mit ihnen um die Ansiedlung von Lekkerland und bis zu 230 Arbeitsplätzen konkurriert. Denn: Je mehr Steine die Gemeinde im Planänderungsverfahren aus dem Weg räumen muss, desto geringer ist die Chance, dass Lekkerland im Frühjahr Baurecht hat. Dann würde das Unternehmen doch nach Eppstein ziehen. Dem Vernehmen nach hat es dort ein Gelände erworben. Doch nicht nur Frankenthal sorgt sich um das Schilfgebiet auf dem Wörth. BUND und Gnor hauen in dieselbe Kerbe und haben sich rechtlich beraten lassen, ob eine Klage gegen den neuen Bebauungsplan Aussicht auf Erfolg hätte. „Wenn der BUND eine Klage ankündigt, ist das Projekt aus Zeitgründen gestorben“, sagt Bürgermeister Müller. Auf Anfrage sagte gestern der stellvertretende Vorsitzende der BUND-Gruppe Rhein-Pfalz-Kreis, dass die Rechtsauskunft gerade eingegangen sei, aber noch intern besprochen werden müsse. „Am Wochenende fällt eine Entscheidung, und am Montag teilen wir diese der Gemeinde mit“, so Rolf Götz. Manfred Pfeifer, Vertreter von Gnor und ehemaliges Mitglied der Grünen-Fraktion im Bobenheim-Roxheimer Gemeinderat, war gestern und am Mittwoch für die RHEINPFALZ nicht zu erreichen. Unterdessen sucht die Verwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises den Ausgleich der widerstrebenden Interessen. Dass die Planänderung im vereinfachten Verfahren nach Paragraf 13a des Baugesetzbuchs unzulässig sein soll, wie es der Protest aus Frankenthal suggeriert, sieht Landrat Clemens Körner (CDU) nicht. Es handele sich hier schließlich nicht um ein neues Baugebiet, sondern um die Arrondierung eines längst bestehenden. Die Kreisverwaltung und er als Landrat seien bestrebt, das Logistikzentrum und die Arbeitsplätze in Bobenheim-Roxheim und damit im Rhein-Pfalz-Kreis zu halten. Aber: Die Sache mit dem Schilfgebiet müsse ernst genommen werden. „Deshalb haben wir von der Gemeinde verlangt, zusätzlich zur neuen Grünfläche im Westen des Plangebiets noch ein anderes Grundstück zu kaufen und als Ausgleichsfläche zur Verfügung zu stellen“, so Körner. Das ist laut Bürgermeister Müller 5000 Quadratmeter groß und befindet sich in der Nähe des Nonnenhofs, wo eine ausgedehnte Schilfstruktur vorhanden sei. Mit dem Ende des Jahres gekauften angrenzenden Ackerland könne dieses Biotop deutlich aufgewertet werden, glauben Müller und Körner und hoffen auf die Zustimmung der Umweltverbände. „Was jetzt ansteht, ist eine rein fachliche Diskussion über die naturschutzrechtliche Bewertung der Kompensationsmaßnahmen“, sagt der Landrat. Die Gemeinde hat kürzlich bei der unteren Naturschutzbehörde beim Kreis eine Ausnahme von Paragraf 23 des Landespflegegesetzes beantragt. Darin steht, dass geschützte Landschaftsbestandteile wie Alleen, Hecken und Röhrichte nicht zerstört oder beschädigt werden dürfen. Ohne diese Ausnahmegenehmigung kann der Gemeinderat nicht den nächsten Verfahrensschritt gehen, nämlich die eingegangenen Einwendungen abwägen und entscheiden, ob der Bebauungsplan als Satzung verabschiedet wird. Bürgermeister Michael Müller hofft, dass das noch im Februar gemacht werden kann.

x