Rhein-Pfalz Kreis Rumba mit Rollator

Gediegener Big-Band-Swing tönt durch den Raum im Dachgeschoss des Lambsheimer Lamundis-Stifts. Für zwei Tage verwandelt sich das Bistro der Senioreneinrichtung in ein Tanzcafé der etwas anderen Art. Nicht jung gebliebene Paare schwofen hier übers Parkett, sondern 14 einzelne Frauen – und ein „Quotenmann“. Dennoch tanzt niemand allein, alle haben den idealen Tanzpartner. Einer, der einem nie auf die Füße tritt, der alle Schritte mitmacht, der fraglos immer zur Verfügung steht. Es ist ein Rollator.

Die Teilnehmer, allesamt professionelle Mitarbeiter oder ehrenamtlich in der Seniorenpflege Beschäftigte, stehen im Kreis. „Wir machet acht Schritte vor“, gibt Sylvia Scheerer charmant schwäbelnd das Kommando. Gemessenen Schritts setzt sich die Karawane in Bewegung. Jeder achtet auf den Abstand zum Vordermann. „Immer an der Wand lang, den Kreis groß halten – und keine engen Gänseschritte machen.“ Sylvia Scheerers erfahrenem Trainerblick entgeht nichts. Die ausgebildete Tanzlehrerin begann 2009 in Ludwigsburg, den Tanz mit dem Rollator zu entwickeln. „Standardtänze eignen sich für den Rollator, auch Elemente aus Samba und Rumba“, berichtet Scheerer. Der spanische Paso Doble eigne sich für Passagen im Sitzen, denn er fördere eine bessere Haltung. Linien- und Kreistänze mit Vor-Rück-Bewegungen förderten die Kommunikation. Übungsfigur „Stern“: Die Formation aus der Folkloretradition erfordert konzentrisches aufeinander Zu- und rückwärts Weggehen im schnellen Wechsel und wird beim ersten Versuch eher zum Knäuel. Allgemeines Gelächter. Beim zweiten Versuch helfen der Gruppe farbige Bänder am Rollator beim schnellen Wechsel. Eine Rollatortanzstunde schult Körper und Geist, denn Bewegungen im Raum wechseln sich ab mit Bewegungen auf der Stelle, im Gehen, Stehen und Sitzen. Ein langsamer Walzer erklingt. „Die Arme zur Seite, nach vorn, zur Seite, nach unten“, sagt Scheerer. Das sieht schön aus, hat was von Ballett und zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Übenden. „Wichtig ist es, im Fluss zu sein.“ Aus Scherer spricht pure Begeisterung. Seit 2011 ist sie offizielle Rollatortanz-Beauftragte des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbands (ADTV). Sie bildet wie hier in Lambsheim deutschlandweit Übungsleiter für Rollatortanz aus. „Viele Ältere haben anfangs eine Hemmschwelle“, hat Scheerer beobachtet, der Rollator werde als Hindernis empfunden. Doch übers Tanzen entwickelten viele eine positivere Einstellung zu dem Gerät als Gehilfe, ein besseres Körpergefühl und darüber hinaus auch eine gesteigerte Balance. „Rollatortanz ist auch eine ideale Sturzprophylaxe.“ Die Gehhilfe als Bewegungsassistent zu nutzen, erfordert Übung und Anleitung, das merken die Schulungsteilnehmer schon bald. Takte zählen, klatschen und gleichzeitig Schritte oder Arme bewegen, das ist für einige der angehenden Übungsleiter eine geistige Herausforderung: „Des muss isch dehääm mitm Blatt iewe“, meint eine Teilnehmerin. Kein Problem: Am Ende verteilt Sylvia Scheerer an alle Unterrichtsmaterial mit Zählanleitungen, Choreografien, Tanz- und Musikbeispielen. Routinierter als manche Jüngeren sind im Umgang mit dem Rollator Senioren wie Anne Edelblut. Die Idee Rollatortanz gefällt der 87-Jährigen „sehr gut“. Seit drei Monaten wohnt sie im Lamundis-Stift. Hier ist sie bereits in der Sitztanzgruppe aktiv. In einer künftigen Rollatortanzgruppe will sie auf jeden Fall mitmachen. „Eine Stunde Tanz pro Woche hält Geist und Körper fit“, weiß man beim ADTV. Dort wurde das Projekt „Agil im Alter“ entwickelt. Angeboten wird es von der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, die auch die Kosten übernimmt. Es ist Teil des Aktionsplans „In Form – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und Bewegung“. Die tänzerischen Elemente der dreistufigen Schulung wurden mit Ärzten, Physiologen und Psychologen entwickelt und auf die besondere Situation von Menschen mit Gehhilfen angepasst. Tanzen mit Gehhilfe? „Ich war erst etwas skeptisch“, gesteht Kursteilnehmerin Susanne Eiben. Die Frankenthalerin macht gerade ein Praktikum in der Sozialbetreuung, weil sie einen beruflichen Neuanfang in der Altenarbeit anstrebt. Doch zwei Schulungstage am Rollator haben sie überzeugt: „Es ist erstaunlich, was man damit alles machen kann.“ Als Leiterin der Tagespflege im Maximilian-Stift Maxdorf hat Barbara Arlt viel mit Demenzkranken zu tun. „Im Singkreis bin ich immer wieder überrascht über die Textsicherheit unserer Senioren“, sagt sie. Lust auf Bewegung machen trotz eingeschränkter körperlicher und geistiger Mobilität? Den Rollatortanz möchte sie künftig ins Wochenprogramm ihrer Tagesstätte aufnehmen: „Die Senioren sollen Dinge erleben, die sie positiv stimmen.“ Und auch Gerda Vlantos, Sitztanzgruppenleiterin in Ausbildung, sieht Rollatortanz als gute Ergänzung und Erweiterung im Bewegungsangebot.

x