Rhein-Pfalz Kreis Mehr pflügen statt spritzen

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Glyphosat ist der weltweit am meisten eingesetzte Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln. Am morgigen Donnerstag entscheidet der Ausschuss der Europäischen Union (EU) für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit voraussichtlich darüber, ob die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat für weitere neun Jahre verlängert werden soll. Die beiden SPD-Minister für Umwelt und Wirtschaft in Berlin, Barbara Hendricks und Sigmar Gabriel, wollen nicht, dass Deutschland einer Zulassung zustimmt, obwohl der Bundestag sich Ende Februar für eine Verlängerung der Zulassung ausgesprochen hat. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) pocht auf die Einhaltung dieser Entscheidung. Landwirt Dietmar Tartter aus Lambsheim spricht auf Anfrage von einem Streit um „eine ideologische Formel“, der ihn als Erzeuger von Kohl, Stangenbohnen und Kartoffeln nicht allzu sehr berührt. „In der Vorderpfalz, wo die flachen Äcker intensiv genutzt und weitgehend mechanisch bearbeitet werden, wird Glyphosat eher selten benutzt“, sagt Tartter. „Das kommt eher in Hanglagen zum Einsatz, wo nicht mehr gepflügt wird.“ Von politischer Seite könne es deshalb gewollt sein, dass Glyphosat weiter zugelassen wird, damit Erosionen verhindert würden. Zur Frage, wie gefährlich Rückstände des Herbizids in Nahrungsmitteln sind, will sich Dietmar Tartter nicht äußern. „Das ist Sache der Wissenschaft.“ Die momentane Angstmacherei hält er aber für übertrieben. Zum Hintergrund: Seit Jahren wird darüber gestritten, ob das Pflanzengift krebserregend ist. Wie gestern berichtet, hat eine neue Studie der Vereinten Nationen (UN) den Krebsverdacht nicht bestätigt – zumindest nicht in Tiertests mit für Menschen relevanten Dosen des Mittels. Auf die strengen Grenzwerte für Landwirte weist Beate Speth hin, die beim Pfalzmarkt in Mutterstadt für die Qualitätssicherung zuständig ist. Bevor der Pfalzmarkt ein Produkt einkaufe, werde ein Rückstandmonitoring erstellt. Erst wenn alle Werte unbedenklich seien, werde der Auftrag zur Ernte erteilt. „Ich habe noch nie Glyphosat-Rückstände gehabt“, sagt Speth. Die Erzeuger könnten sich das auch gar nicht leisten: „Die Vorgaben von unseren Kunden, zum Beispiel den großen Supermarktketten, sind viel strenger als die EU-Vorgaben. Ein Landwirt kann sich da keinen Ausrutscher erlauben, sonst kann er gar nichts mehr vermarkten.“ Für sie kommt die Diskussion über Glyphosat einer Hetzkampagne gleich. „Da wird ein Krieg gegen die Erzeuger geführt“, sagt sie. Ulrich Schneider aus Dirmstein bestätigt, dass der Einzelhandel als Abnehmer von Gemüse meist Vorgaben mache, welche Pflanzenschutzmittel nicht verwendet werden dürfen, obwohl sie zugelassen sind. Schneider, der hauptsächlich Zuckerrüben, Getreide und Kartoffeln anbaut, setzt Glyphosat gelegentlich als „Notmaßnahme für schwer bekämpfbare Unkräuter wie Ackerkratzdistel und Ackerwinde“ ein. Allerdings nur bei hartnäckigen Nestern und an den Ackerrändern. Er findet, Glyphosat sollte zulässig bleiben, weil es zu seinem stellenweise sinnvollen Einsatz keine gute Alternative gebe. „In unserer Region und bei unseren Betriebsstrukturen wird es selten verwendet.“ Anders sei das in Gegenden, wo sehr große Flächen sauber zu halten seien. „Glyphosat nur zur Ernteerleichterung einzusetzen, finde ich allerdings nicht gut.“ Ob mit dem Mittel immer sachgemäß umgegangen wird, fragt sich der Dirmsteiner Landwirt angesichts der Funde von Glyphosat-Rückständen in Bier. „Schließlich darf es beim Anbau von Braugerste gar nicht verwendet werden.“ Für Jürgen Langenstein, Landwirt aus Bobenheim-Roxheim und neuer Vorsitzender der dortigen Bauern- und Winzerschaft, wird die Diskussion über das Herbizid „am falschen Platz und in die verkehrte Richtung geführt“. Er geht von der Annahme aus, dass Glyphosat, nachdem es ein Feld von Unkraut befreit hat, nicht von den Gemüsepflanzen aufgenommen wird. „Das kommt nur bei genverändertem Saatgut vor“, sagt Langenstein, „und das ist bei uns verboten.“ Deshalb sei ihm die Diskussion unbegreiflich. Für die Bauern in Bobenheim-Roxheim glaubt er sagen zu können, dass Glyphosat so gut wie nicht verwendet wird. Denn zum einen werde dort viel Blattgemüse für die hohe Maßstäbe anlegende Firma Frosta angebaut, und zum anderen komme es in der Gegend gar nicht zum dauerhaftem Unkrautbefall. „Weil wir aufgrund der intensiven Nutzung der Felder gezwungen sind, sie mechanisch, durch Hacken, sauber zu halten.“ (ww/seed)

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