Rhein-Pfalz Kreis Lärmstreit: Letzte Frist für Mannheim

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Die Altriper verlangen weiterhin Einsicht in die Akten über die Schrottfirmen am gegenüberliegenden Rheinufer. Zunächst soll nun bei einer übergeordneten baden-württembergischen Behörde Beschwerde über die Stadt Mannheim eingereicht werden. Tut sich innerhalb von sechs Wochen nichts, wird die Gemeinde vor Gericht ziehen.

Altrip. Von der Auseinandersetzung um den Lärm, der von den Firmen Schrott-Wetzel und Alba Metall Süd her über den Fluss schallt, hat der Altriper Ortsgemeinderat nun die Faxen dicke. Nachdem das Umweltdezernat der Stadt Mannheim Vertretern der Kommune und ihrem Anwalt Wolfgang Baumann Ende August nach langem Tauziehen um einen Termin nur widerwillig und obendrein sehr beschränkt die beantragte Akteneinsicht gewährt hat (wir berichteten), rüsten sich die Altriper nach dem erfolgreichen Rechtsstreit mit dem Land Rheinland-Pfalz um den geplanten Polder für den möglicherweise nächsten Kampf: David gegen Goliath. Den Altripern geht es etwa darum, zu erfahren, was den beiden Unternehmen gemäß Betriebsgenehmigung überhaupt erlaubt ist. Außerdem möchten sie Aufschluss darüber, was diese Betriebe außer Lärm noch so alles absondern und ob sich daraus Gefährdungen für die Umwelt ergeben. Doch diese Informationen rückt Mannheim bisher nicht heraus und verweist unter anderem auf Betriebsgeheimnisse von Schrott-Wetzel. Deshalb stand der Rat in der Sitzung am Mittwoch vor der Wahl, seinen Beschluss vom April notfalls vor Gericht durchzusetzen, mit der Klage die Anwaltskanzlei Baumann zu betrauen und dafür vorsorglich weitere 20.000 Euro bereitzustellen. Erst mal abwarten, was bei der Auswertung der Teilakten herauskommt und was die Kommune nach Ansicht der Kanzlei maximal erreichen könnte, um die Lebensqualität ihrer Bürger zu verbessern: Das schlug SPD-Fraktionschef Markus Hofacker vor. „Das geht so nicht“, erwiderte Joachim Loch von der Verwaltung der Verbandsgemeinde Rheinauen. „Wir haben im Moment noch nicht mal den Überblick, was dort erlaubt ist, welche Auflagen es gibt, ob die Stadt Mannheim die richtigen Lärmwerte ermittelt hat et cetera. Ohne diese Angaben kommen wir nicht weiter“, erläuterte er. Doch Mannheim bewege sich auf sehr dünnem Eis, und Altrip habe eine sehr gute Rechtsposition, den Antrag durchzusetzen. Die Stadt verheimliche gewisse Sachen und habe gravierende handwerkliche Fehler begangen. „Es kann nicht sein, dass wir überhaupt nichts bekommen. Die lassen uns noch nicht mal in irgendeinen Bescheid sehen. Kommt zu uns ein Bürger und beruft sich auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz, das Umweltinformationsgesetz oder das Transparenzgesetz, machen wir die Akte auf. Diesen Anspruch hat die Gemeinde auch“, erklärte er. „Was wir bekommen haben, sind Rumpffakten. Da steht gar nichts drin“, bekräftigte Ortsbürgermeister Jürgen Jacob. Die angekündigte Antwort auf die Frage, ob weitere Akten zur Verfügung gestellt werden können, sei das Rechtsamt der Stadt Mannheim bislang schuldig geblieben. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Toni Krüger betonte, die Altriper müssten den besonders nachts unerträglichen Lärm bereits seit Jahren aushalten. Nun müsse der Rat entscheiden, ob er ihnen eine Entlastung angedeihen lasse und den Weg, der ihm aufgezwungen werde, beschreiten wolle. „Dass wir bei unseren Recherchen anscheinend tiefere Einblicke erhalten haben als später die Gemeinde, lässt tief blicken“, sagte er. Gemeint waren damit die Bemühungen der Grünen: Sie waren der Sache selbst nachgegangen und hatten herausgefunden, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt. Daraufhin hatten sie im Rat den Antrag gestellt, einen Anwalt einzuschalten und somit dafür gesorgt, dass dem Lärmproblem weiter nachgegangen wird. Krüger betonte, dass aber niemand die Schließung der Firmen anstrebe. „Aber Regeln sollen eingehalten werden.“ Michael Schreiner (FWG) wandte ein, den Bürgern solle nicht suggeriert werden, dass die 20.000 Euro ausreichten, um den Lärm zu stoppen. Damit bekomme Altrip allenfalls Klarheit, was Sache ist. FWG-Fraktionschef Uwe-Peter Schreiner regte an, sich erst mal bei einer vorgesetzten Stelle – vergleichbar mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Rheinland-Pfalz – über die Stadt Mannheim zu beschweren. Sollte auch auf diesem Verwaltungsweg nichts erreicht werden, bleibe immer noch der Klageweg. Zu der Angst, die teils vor den eventuellen Prozesskosten geschürt werde, sagte Armin Grau (Grüne), dass die Mannheimer bei einem entschlossenen Vorgehen Altrips vielleicht doch noch einlenken würden. Daran hegte Jacob Zweifel, die er mit einem stellvertretenden Beispiel dafür begründete, wie die Ortsgemeinde seit Jahren hingehalten und hinters Licht geführt werde. So habe ihn gewundert, weshalb eines der Unternehmen für eine halbe Million Euro eine Lärmschutzwand baute, obwohl ein Verwaltungsgericht es vorher von dieser Pflicht freigesprochen hatte. Die Antwort, man wolle mit der Nachbarschaft in Frieden leben, habe ihn nicht überzeugt. Inzwischen stehe fest: „Zeitgleich wurde ohne unser Wissen eine zusätzliche Schrottpresse aufgestellt. Es war also keine Lärm-, sondern eine Sichtschutzwand.“ Peter Bärenz’ (SPD) Bedenken, ob die Informationsansprüche gegen das Betriebsgeheimnis durchsetzbar seien, teilte er nicht. „Wir wollen nur umweltrelevante Daten.“ Der Europäische Gerichtshof habe hier in den vergangenen Jahren die Rechtsprechung entsprechend geändert, ergänzte Loch. Daneben sah er Mannheim in der Pflicht, im Zweifelsfall zwischen den Interessen des Betriebes und dem Informationsanspruch abzuwägen. Weiteres Problem: Obwohl Unterlagen zu Betriebsgeheimnissen gemäß Bundesemissionsschutzgesetz separat geführt werden müssten, sei das in Mannheim nicht geschehen. „Die hatten da ein Riesenchaos.“ Am Ende entschied sich der Rat für die Beschwerde mit einer Frist von sechs Wochen, nach deren Verstreichen automatisch Klage erhoben wird.

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