Rhein-Pfalz Kreis Bewährung nach Reizgasangriff

Frankenthal/Böhl-Iggelheim. Weil er einen Bahnreisenden angegriffen und in einem Frankenthaler Hochhaus Reizgas versprüht hat, ist ein 56-jähriger Angeklagter aus Böhl-Iggelheim gestern vom Landgericht Frankenthal schuldig gesprochen worden: Wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilte ihn die Zweite Große Strafkammer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe von 500 Euro.

Im Oktober 2011 hatte der Angeklagte, nachdem er im Bahnhof Ludwigshafen-Mitte in den Zug gestiegen war, einen Mitreisenden unvermittelt durch einen Schlag erheblich verletzt. Diese Tat gab er gestern zu. An den Reizgaseinsatz erinnerte er sich nicht mehr. Am 19. Juli 2012 hatten einige Bewohner eines 19-stöckigen Hochhauses im Frankenthaler Carl-Bosch-Ring plötzlich heftige Atembeschwerden. Ein Mieter hatte im ersten Stockwerk Reizgas versprüht. Der Angeklagte wohnte damals im Haus. Ein Großeinsatz von Polizei, Rettungskräften und Feuerwehr war die Folge. Um welches Gas es sich genau gehandelt hatte, konnte nicht geklärt werden. Die Kammer war sich jedoch sicher, dass der Angeklagte den Reizstoff versprüht hatte. Bewohner hatten aufgrund des beißendes Geruchs gegen 21 Uhr die Polizei verständigt. Die Beamten hörten ein Zischgeräusch aus der Wohnung des Angeklagten, der jedoch die Tür nicht öffnete. Nachdem Feuerwehrleute die Tür aufgebrochen hatten, sprang der Angeklagte die Polizeibeamten unvermittelt aus der Dunkelheit seiner vollkommen zugemüllten Wohnung an und widersetzte sich nach Aussagen der als Zeugen gehörten Polizisten heftig seiner Festnahme. Warum er das Reizgas versprüht hatte, konnte nicht geklärt werden. Anlass könnte die zuvor ausgesprochene Kündigung seiner Wohnung gewesen sein. Mehrfach hatte es dort Einsätze des Ordnungsamts wegen Ruhestörung gegeben. Bei seiner Festnahme wies der Mann einen Alkoholwert von rund 1,2 Promille auf. Mehrfach war der Mann zuvor durch Körperverletzungen und Sachbeschädigungen aufgefallen. Zweimal war die Verhandlung wegen der jetzt angeklagten Taten vor dem Amtsgericht Ludwigshafen aufgenommen, dann aber an das Landgericht verwiesen worden, weil eine Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung im Raum stand. Diese wurde gestern nicht angeordnet. Der Angeklagte hat die Zeit seit dem letzten Vorfall für mehrere noch andauernde Therapien genutzt. So hat er nach dem Eindruck des Gerichts sein Alkoholproblem jetzt im Griff. Er besucht eine Selbsthilfegruppe für das bei ihm erst spät diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und er absolviert Therapien, um sein schnell ansteigendes Aggressionspotenzial in geregelte Bahnen zu leiten. Die psychiatrische Gutachterin Iris Schick stellte zwar eine erhebliche Persönlichkeitsstörung bei dem Angeklagten fest, die jedoch alleine nicht für eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung ausreiche. Die Taten habe der 56-Jährige immer unter erheblichem Alkoholeinfluss begangen, sodass seine Steuerungsfähigkeit herabgesetzt, die Impulskontrolle nicht mehr vorhanden gewesen sei. Insgesamt fühle sich der Angeklagte oft subjektiv schlecht behandelt und werde dann aggressiv. Der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch, Staatsanwalt Benjamin Mais und Verteidiger Günter Bär waren bei der Strafzumessung einer Meinung. Die Kammer forderte den Angeklagten auf, seine Therapien weiterzuführen. „Wir reden hier nicht von Pillepalle. Sie bekommen heute keinen Jagdschein von uns ausgestellt, denn Sie sind nicht verrückt“, sagte der Kammervorsitzende Sauermilch zum Angeklagten. Sollte er wieder auffallen, sei eine Einweisung in die Psychiatrie möglich.

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