Rhein-Pfalz Kreis Bedrohter Preisträger

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Ludwigshafen. Der Naturschutzbund Deutschland (BUND) und der bayrische Landesbund für Vogelschutz (LBV) haben den Stieglitz zum Vogel des Jahres 2016 gewählt. Bekannt ist er auch unter dem Namen Distelfink. Er ist einer unserer schönsten Singvögel, aber leider bedroht. Der Rhein-Pfalz-Kreis ist eines seiner bevorzugten Siedlungsgebiete. Noch.

Der Stieglitz (Carduelis carduelis) gehört zu den buntesten und gleichzeitig beliebtesten Singvögeln in Europa. Doch die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft und die Bebauung von Brachflächen rauben dem Stieglitz laut BUND die Nahrungs- und Lebensgrundlagen. Es wird enger für den farbenfrohen Distelfinken. Heute gibt es in der Bundesrepublik nur noch halb so viele wie vor 26 Jahren. Mit seiner Wahl zum Vogel des Jahres 2016 wollen NABU und LBV den fortschreitenden Strukturverlust in unserer Kulturlandschaft ins Blickfeld rücken: „Der Stieglitz ist unser Botschafter für mehr Artenvielfalt und Farbe in Agrarräumen und Siedlungsbereichen“, teilen die Naturschützer mit. Auch in dem intensiv bewirtschafteten Rhein-Pfalz-Kreis muss sich der Stieglitz behaupten. „Die Oberrheinebene – und damit natürlich auch der Rhein-Pfalz-Kreis – ist bevorzugtes Siedlungsgebiet des Stieglitzes in Deutschland“, hebt Vogelexperte Thomas Dolich aus Neuhofen die Bedeutung unserer Region für den schönen bunten Vogel hervor. Es ist vor allem seine Vorliebe für gemäßigtes Klima, die dem Südwesten den Vorzug gibt. Der Stieglitz ist im Kreis und rund um Ludwigshafen zwar nicht mehr gerade häufig, aber immer noch regelmäßig anzutreffen. Mehrfach konnte Dolich im Frühjahr singende Distelfinken in den Grünanlagen am BASF-Parkhaus am Tor 2 feststellen. Bei einem Spaziergang Anfang Januar dieses Jahres sichtete der Experte einen kleinen Trupp von vier Stieglitzen an einem stark blühenden und samentragenden Distelbusch inmitten intensiv genutzter Landwirtschaftsflächen bei Neuhofen. Auffallend: Für einen Finken besitzt der Stieglitz einen langen und spitzen Schnabel – ein geeignetes Werkzeug, um sich auf Samen von Disteln, Kletten und anderen Korbblütlern zu spezialisieren. Das hat ihm den Zweitnamen „Distelfink“ eingebracht. Die etwa spatzengroßen Vögel sind sehr gerne in kleineren Gruppen unterwegs. Sowohl als Standvogel wie auch als Teil- und Kurzstreckenzieher ist der Distelfink ganzjährig zu beobachten. Allerdings werden bei der planmäßigen Zugvogelerfassung immer wieder auch ein paar kälteflüchtende Stieglitztrupps erfasst, informiert Dolich. Doch ab März spätestens sollten auch diese Vögel wieder hier sein. Stieglitze benötigen halboffene Landschaften mit abwechslungsreichen, mosaikartigen Strukturen. Im Siedlungsbereich des Menschen sind dies Alleen, Obstgärten, Friedhöfe, Parkanlagen und Streuobstwiesen. In landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen haben sich die Bedingungen für die Art verschlechtert. Die wesentlichen Faktoren hierfür sind erhöhter Düngemittel- und Biozideinsatz, Vernichtung von Brachflächen und weithin fehlende samenreiche Ackerrandstreifen. Dass es immer weniger Distelfinken gibt, hängt auch damit zusammen, dass aus übertriebener Ordnungsliebe immer mehr Disteln und andere ökologisch wertvolle Wildpflanzen in Gärten, an Ufern, Feldwegen, Bahndämmen, Straßenrändern und kommunalen Grünanlagen entfernt werden. Das ist auch im Rhein-Pfalz-Kreis festzustellen: So werden regelmäßig in öffentlichen Grünanlagen – beispielsweise in Rödersheim-Gronau – jedes Jahr die aufkommenden Jungpflanzen der mit der Artischocke verwandten majestätischen Eselsdistel abgeschnitten, bevor sie zum Blühen und zur Samenbildung kommen können – der Ordnung zuliebe. Nicht in Ordnung geht das für die Stieglitze. Als „Fast-Vegetarier“ finden sie dann einfach kaum mehr Nahrung. Ohne Disteln keine Distelfinken, so einfach ist das.

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