Rhein-Pfalz Kreis Ausbruch aus dem Haftalltag

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SCHIFFERSTADT. Europapokalspiele gegen den FC Barcelona, Bundesligaduelle mit den Bayern: Der ehemalige Fußballprofi Axel Roos weiß viel zu erzählen. Am Donnerstag sprach er mit Häftlingen in der Jugendstrafanstalt (JSA) über Fußball. Denn die JSA beteiligt sich am Projekt „Anstoß für ein neues Leben“, eine Initiative der Sepp-Herberger-Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit zur Resozialisierung jugendlicher Strafgefangener. Roos ist ihr Pate.

„Was war Ihr bedeutendstes Spiel?“ „Gegen wen haben Sie die meisten Tore geschossen?“ „Hatten Sie ein Vorbild?“ „Waren Sie Nationalspieler?“ Die 13 jungen Männer, die der Fußball-AG des Gefängnisses angehören, haben viele Fragen an den prominenten Fußballer, den keiner von ihnen je hat spielen sehen. Anstaltsleiter Klaus Beyerle stellt Roos vor und erwähnt dabei, dass dieser auch mal Co-Trainer der albanischen Nationalmannschaft war. „Albanien, super!“, entfährt es Häftling Kujtim*, einem Albaner. Er strahlt und macht mit erhobenem Daumen klar, dass ihm das gefällt. Das Eis ist schnell gebrochen, auch weil Roos sympathisch, bodenständig und authentisch rüberkommt. Er erzählt, dass er erst relativ spät zur Jugend des FCK kam. „Es ist auch heute noch gut, Kinder nicht zu früh unter Druck zu setzen“, sagt er. Den schnellen Flügelstürmer, der später zu einem hervorragenden Außenverteidiger umgeschult wurde, zeichnete ein großer Wille aus. „Wollten Sie nicht ausgehen?“, fragt Cengiz*. Roos verneint, spricht davon, dass er unbedingt Profi werden wollte, keinen Alkohol getrunken hat und abends früh schlafen ging. „Disziplin ist ganz wichtig im Leben. Das gilt nicht nur für den Fußball“, betont er. Roos berichtet, dass Hans-Peter Briegel ein Vorbild für ihn war, weil er ähnlich hart an sich gearbeitet habe, wie er selbst. Kein Wunder, dass die beiden später als Trainer-Duo unterwegs waren. Roos, der schon vor über 20 Jahren mit Fritz Walter ein Gefängnis in Zweibrücken besucht hat, spricht nicht nur über die tolle Zeit, als der FCK unter Otto Rehhagel als Aufsteiger Meister wurde, von den Duellen mit Bayern München („Da hatte ich immer ein Kribbeln im Bauch“) oder den Europapokalspielen gegen den FC Barcelona. Er gibt auch Privates preis. Etwa, dass er als Ausgleich zum Sport Musik mache und gern Klavier spiele, dass er wegen fünf Knieoperationen und eines neuen Hüftgelenk kein Fußball mehr spielen könne und dass ihm ein Trainer den Spitznamen „Aki“ verpasst habe. Die Gefangenen, die laut Beyerle höchstens 24 Jahre alt sind, verschiedene Straftaten begangen haben und im Schnitt 14 Monate in der JSA inhaftiert sind, hören aufmerksam zu und wollen vieles wissen. So dauert die auf 20 Minuten veranschlagte Gesprächsrunde mehr als doppelt so lange. „Wichtig ist, dass ihr euch einem Verein anschließt, wenn ihr entlassen werdet. Ihr müsst soziale Kontakte knüpfen und dann werdet ihr sehen, dass es schön ist, mit anderen etwas zu bewegen“, gibt Roos den Häftlingen mit auf den Weg. „Ich habe vorher in der Jugend in Verbands- und Regionalliga gespielt“, sagt Gökhan*. „Wann spielen wir?“, fragt Bernd* und schaute sehnsüchtig auf die zehn neuen Fußbälle, die Tobias Wrzesinski, stellvertretender Geschäftsführer der Sepp-Herberger-Stiftung, mitgebracht hat. „Die Stiftung will mit dem Projekt den jungen Menschen einen Anreiz geben, sich hinterher in die Gemeinschaft einzugliedern, um Stabilität in ihr Leben zu bekommen“, verdeutlicht Wrzesinski. Die Fußball-AG ist ein wichtiger Baustein. „Ein-, zweimal pro Woche spielen wir. Auch beim Früh- und Haussport wird oft gekickt“, erklärt Sportwissenschaftler und JSA-Trainer Simon Kaiser. „Wir begleiten und unterstützen diese Initiative und stellen auf Wunsch Kontakte zu den Vereinen her“, sagt Michael Monath, Geschäftsführer des Südwestdeutschen Fußball-Verbands. Inzwischen hat Roos die jungen Männer in drei Mannschaften eingeteilt. „Es macht riesigen Spaß“, sagt einer und hat in dem Moment den Haftalltag wohl für ein paar Minuten vergessen. Und vielleicht findet der eine oder andere nach seiner Entlassung über den Fußball zurück in ein geregeltes Leben. (thl)

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