Rhein-Pfalz Kreis Aufhören kommt nicht infrage

Das war im November 2015: Georg Mergler vom Bobenheim-Roxheimer Ehrenarbeitskreis (vorne links) wird von Mohamad Khaled al Zalak
Das war im November 2015: Georg Mergler vom Bobenheim-Roxheimer Ehrenarbeitskreis (vorne links) wird von Mohamad Khaled al Zalak um Rat gefragt. Vor allem die persönliche Beziehung zu den Geflüchteten erleben die Helfer in den Gemeinden als Bereicherung.
„Die Welt verändert sich ständig“ Hans-Peter Mathias (67, Rentner und früher im kaufmännischen Außendienst im europäischen Ausland tätig) wirkt im Bobenheim-Roxheimer Ehrenamtskreis Asyl mit.

Wir haben eigentlich schon immer Leute in unserem Haus beherbergt, darunter vor mehr als 30 Jahren auch geflüchtete Vietnamesen, sogenannte Boatpeople. Es gefällt mir, auf diese Weise mit anderen Kulturen und Lebensweisen in Berührung zu kommen. Im Moment kümmere ich mich als Honorarkraft in der Rheinschule um die Flüchtlingskinder. Wichtig ist mir, in die Integrationsarbeit eine gute Atmosphäre und Stimmung reinzubringen. Vielleicht kommt mein Engagement daher, dass meine Eltern nach dem Krieg aus dem damaligen Jugoslawien vertrieben wurden und wir ebenfalls auf die Hilfe anderer angewiesen waren. Ich finde, wir sollten Flüchtlinge nicht als lästige Bittsteller sehen. Niemand verlässt seine Heimat, bloß um hier Sozialhilfe abzukassieren. Die Bilder von den zerstörten Städten in Syrien machen das doch deutlich. Aber die Menschen, die allgemein etwas gegen Ausländer haben, gucken nicht über den Tellerrand und fragen sich nicht, welche Gründe die Zuwanderung hat. Dass das auch mit der Ausbeutung dieser Länder zu tun hat und Europa deshalb in der Pflicht ist. Entwicklungen wie diese und Wanderungsbewegungen hat es ja schon immer gegeben. Ich denke da an die Auswanderungswelle aus Europa nach Amerika, zum großen Teil übrigens aus wirtschaftlichen Gründen. Wenn man das Positive darin sieht, kann das durchaus bereichernd für alle sein. „Andere Aufgaben als am Anfang“ Dieter Braunewell (77) ist 2015 über eine Infoveranstaltung der Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim dazu gekommen, Asylbewerber zu betreuen. Der Helferkreis hier in Beindersheim hat sich von anfänglich 14 auf aktuell fünf verkleinert, und die Aufgabenstellung hat sich verändert. Statt Neuankömmlingen zu zeigen, wo der Arzt und die nächste Apotheke sind, muss ich mich heute auch mal damit beschäftigen, dass jemand mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Ich kann die Koordinatorin der Verbandsgemeinde, Frau Nergül Akyayla, nur loben und bin weiter bereit, diese ehrenamtliche Arbeit zu machen. Auch wenn es auf der Welt so viele Tendenzen zur Abschottung gibt, zum Beispiel in den USA, in Polen oder Ungarn. Wenn ich sehe, dass Schiffen mit geretteten Flüchtlingen die Landung verwehrt wird, schwillt mir der Kamm. Und was die Diskussionen bei uns in Deutschland betrifft, muss ich nicht nur das C in so manchem Parteinamen, sondern auch die so oft zitierte „christliche Prägung des europäischen Kulturkreises“ infrage stellen. Das heißt nicht, dass man gegenüber Einwanderern nicht auch kritisch sein darf. Viele kommen mit falschen, von Schleppern verbreiteten Vorstellungen hierher. Deshalb bin ich bemüht, diesen Leuten beizubringen, dass das hier kein Schlaraffenland ist. Wer schon lange hier und stinkfaul ist, den muss man fragen dürfen: Welche Gegenleistung erbringst du? „Ich bereue es nicht“ Der frühere Bankkaufmann Georg Mergler (82) aus Bobenheim-Roxheim ist über sein Ehrenamt als Leseopa für Grundschüler in die Flüchtlingsarbeit eingestiegen. In der Diskussion zwischen „Wir müssen alle Flüchtlinge aufnehmen“ und „Wir müssen die abwimmeln“ sage ich mir: Wenn die Leute nun mal da sind und eine Bleibeperspektive haben, dann müssen wir sie betreuen und ausbilden, damit sie mittelfristig durch Arbeit unser Sozialsystem unterstützen können. Das ist eine ganz sachliche, wirtschaftliche Überlegung. Also habe ich mich um zwei Brüder, heute 18 und 23 Jahre alt, gekümmert. Der eine sollte damals der Vormund des anderen werden, und da musste bei den Gerichtsterminen einfach jemand dabei sein, das hätten die doch allein ohne große Sprachkenntnisse gar nicht geschafft. Heute brauchen sie mich bei Behördengängen nur noch selten. Ich habe immer versucht, ihre Selbstständigkeit zu fördern. In der Betreuung der beiden habe ich so manche Schwachstelle in unserem System erkannt. Warum zum Beispiel hat der eine ein halbes Jahr früher seine Anerkennung bekommen als der andere, obwohl sie gemeinsam hier angekommen sind? Ich bereue es nicht, dass ich mich engagiere. Im Gegenteil: Es kann eine persönliche Bereicherung sein zu erleben, dass junge Leute gern mit Fragen zu einem kommen, weil sie das Alter und das Wissen schätzen. Und nebenbei habe ich meine Grammatikkenntnisse aufgefrischt, damit ich beim Deutschlernen helfen kann. Der Ältere macht jetzt übrigens seine letzten Prüfungen, um studieren zu können. Der Jüngere beginnt ab September bei der BASF ein Trainingsprogramm mit dem Ziel ausbildungsfähig zu werden. „Bin als Christ aktiv geworden“ Für den ehemaligen Berufsschullehrer Michael Latour (64) aus Laumersheim ist die Hilfe für Flüchtlinge derzeit die sinnvollste Option für ein Ehrenamt im Ruhestand. Ich habe überlegt, bei der Tafel oder dem Bürgerbus mitzumachen, aber ich glaube, dort gibt es genug Helfer. Nachdem ich 2016 erstmals in Maxdorf mit Geflüchteten in Berührung gekommen bin, war mir klar, dass ich aus meiner christlichen Überzeugung heraus auf diesem Gebiet aktiv werden will. In Grünstadt habe ich eine vierköpfige syrische Familie betreut und Deutsch unterrichtet, obwohl Sprachkurse nicht gerade meine erste Wahl waren. Die Familie ist mir sehr ans Herz gewachsen, und das hat mich in meiner Entscheidung für dieses Ehrenamt im Ruhestand bestärkt. Aktuell stehe ich vor der großen Herausforderung, zwei Brüder aus Syrien zu unterstützen. Der eine liegt querschnittsgelähmt im Bett und braucht nicht nur einen Gesprächspartner und Deutschlehrer, sondern auch einen elektrischen Rollstuhl, damit er endlich mal aus der Wohnung heraus kann. Ich möchte jetzt herausfinden, wie er möglichst bald einen Rollstuhl bekommen kann. Es geht mir sehr nah, wenn Leute in meinem Umfeld über Flüchtlinge und darüber, welche Hilfen sie bekommen, schimpfen. Vor allem, wenn sie sich selbst gar kein Bild von diesen Menschen gemacht haben. Dann sage ich oft: Geht es dir persönlich schlechter deswegen? Wo betrifft dich das denn überhaupt? Ich stehe heute immer noch auf der Seite der Kanzlerin und meine: Wir schaffen das, wenn wir wollen. „Wir fangen Schmerz auf“ Die gelernte Krankenschwester Andrea Hettmannsperger (52) war 2015 – unabhängig von ihrer Arbeit im Sozialverein Kunterbunt – einfach nur neugierig auf die ersten Flüchtlinge, die in Bobenheim-Roxheim ankamen. Ganz schnell war sie mitten im Geschehen. Die ersten, die kamen, waren aus Albanien. Deshalb kennen viele Ehrenamtliche den Trennungsschmerz, wenn „ihre“ Familie wieder zurück in ihre Heimat geschickt wird. Schlimm ist auch mitzuerleben, dass jemand die Anerkennung bekommt, während andere aus demselben syrischen Dorf nur subsidiären Schutz bekommen und ihre Angehörigen nicht herholen dürfen. Wir Betreuer versuchen, diese Menschen in ihrem Schmerz aufzufangen. Insofern war es ein klasse Erfolgserlebnis, als im März 2017 die kleine Rinad aus dem Libanon zu ihrer Familie hier in Bobenheim-Roxheim geholt werden konnte. So etwas hat später auch in einem Grünstadter Fall geklappt. Was die meisten von uns in der Betreuungsarbeit nervt, ist, dass das mit der Pünktlichkeit einfach nicht klappen will. Zum Beispiel wenn man jemanden zum verabredeten Arzttermin abholen will. Was mich dagegen beeindruckt, sind die Geschichten über das, was die Menschen alles durchgemacht haben. Ganz anders als früher denke ich jetzt über die Stellung der muslimischen Frauen, weil ich sie nicht nur verschleiert in der Öffentlichkeit, sondern auch im häuslichen Umfeld erlebe. Sie genießen einen enorm hohen Status und werden – vor allem wenn sie schwanger sind, – sowohl vom Ehemann als auch von den Kindern mit größter Wertschätzung umsorgt. „Mitunter schäme ich mich“ „Wenn ihr Hilfe braucht ...“ Mit diesem Satz ist der frühere Chemiemeister Jürgen Freyhof (75) vor drei Jahren auf die Gemeinde Bobenheim-Roxheim zugegangen, als sie das Asylbewerberheim im Pfalzring eröffnete. Für die BASF war ich früher mehrmals und zum Teil lange im Ausland tätig, zum Beispiel in China. Deshalb weiß ich, wie schwer es ist, ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Kulturkreis zurechtzukommen. Und deshalb kann ich mich in die Migranten hier hineinversetzen. In den vergangenen zwei Jahren habe ich mich um Erwachsene und Jugendliche gekümmert. Das Erlernen der Sprache ist für Erwachsene schwierig. Jugendliche müssen zusätzlich die Grundrechenarten beherrschen, einen Schulabschluss bekommen, um später ihre Familien ernähren zu können, ohne dass der Staat helfen muss. Ein Jugendlicher wollte das nicht so, dem bin ich dann aber auch nicht hinterhergerannt. Ein anderer ist mir umso mehr ans Herz gewachsen. Ich klopfe mir da selbst auf die Schulter, dass er nun im August eine Ausbildung bei einer Elektrofirma beginnen kann. Er stammt aus Homs in Syrien, und wir haben uns im Internet die Straße angesehen, in der er gewohnt hat – da ist alles kaputt. Mitunter schäme ich mich für die Unwissenheit und ausländerfeindlichen Kommentare, die Einheimische in meinem Alter loslassen. „Die sollen doch im Mittelmeer ersaufen“, hat es schon geheißen. Wie kann man nur so etwas sagen! Wissen die Leute nicht, dass wir gesetzlich verpflichtet sind, mögliche Asylgründe zu prüfen? Wenn die Äußerungen zu heftig, der Widerstand zu groß wurde, habe ich mich vom Stammtisch und der Vereinsarbeit zurückgezogen. Es gibt aber auch positive Ereignisse. So wurde ich bei der Organisation von Fahrrädern, Kinderwagen und so weiter unterstützt. Eine Männersportgruppe hat Geld und Sportkleidung spendiert. Ein Lichtblick ist für mich mein Kontakt zu einer sehr netten Familie aus Eritrea, die in Saudi-Arabien gelebt hat und das Land verlassen musste. Ich konnte bei der Wohnungsfindung behilflich sein.

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