Pirmasens Zeitlose Schönheit

Die zeitlose Schönheit von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium – hier in den Teilen eins bis drei und sechs – haben der Oratorienchor des Musikvereins Pirmasens, Mitglieder der Deutschen Radiophilharmonie und die Solisten Rahel Maas (Sopran) Alexandra Paulmichl (Alt), Tilmann Lichdi (Tenor) und Klaus Mertens (Bass) unter der Leitung von Helfried Steckel am Sonntag in großer Klangfülle in die Pirmasenser Festhalle gebracht.

Bachs Weihnachtsoratorium – eigentlich sechs einzelne Kantaten, die jede für sich ab dem ersten Weihnachtsfeiertag aufgeführt worden waren – gehört fraglos zu den populärsten Werken dieser Gattung, zumal viele der Melodien und Texte als eigenständige Weihnachtslieder die Zeit überdauert haben. Man denke nur an den Choral „Schaut hin, da liegt im finstern Stall“, dessen Melodie Bach von Martin Luthers „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ direkt übernommen hat. Ohnehin hatte Bach keine Scheu, bereits bestehende eigene und fremde Kompositionen in neuem Zusammenhang zu recyceln, was bekanntlich nicht nur im Barock gute und allseits akzeptierte Übung war. „Parodie“ wurde das genannt – allerdings nicht in der heutigen Wortbedeutung einer satirischen Übernahme. Der Oratorienchor hat sich Bachs Weihnachtsoratorium immer wieder angenommen, die Kantaten eins bis drei und sechs standen zuletzt vor gut sechs Jahren auf dem Spielplan, vier bis sechs zuletzt im Jahr 2010. Diese Aufteilung ist gängige Praxis, würde sich die gesamte Aufführungszeit doch zu wagnerischer Länge aufaddieren. Auch Albert Schweitzer soll davon abgeraten haben, das Weihnachtsoratorium am Stück aufzuführen, weil es die Zuhörer überfordere. Einerlei, wer die wundervolle Aufführung am Sonntag miterlebt hat, könnte geneigt sein, das Risiko vermeintlicher Überforderung einzugehen. Die Kunst Johann Sebastian Bachs war es ja gerade, die Komplexitäten seiner Musik genial zu kaschieren; der Kundige mag sich an der Vielschichtigkeit des Werkes erfreuen, für uns übrige bleibt die Freude am Erlösungsversprechen, das diese Musik auch für säkulare Naturen einlöst. Steckel pflegte auch am Sonntag wieder seine bekannte Vorliebe für ein eher flottes Tempo – sehr zum Gewinn der Musik. Die gelungene dynamische Balance zwischen Chor und Orchester mag man in den ersten Reihen der Festhalle vielleicht nicht wahrgenommen haben, ab etwa Reihe 14, 15 war aber alles bestens im Lot. Der Chor kann strahlen, er kann sich aber auch sanft mit der Musik bewegen; schön, dass zumeist auch die rhythmische Präzision keine Wünsche offen gelassen hat. Auch die Radiophilharmonie ließ sich sehr flexibel und musikantisch auf Chor und Solisten ein, was keine Selbstverständlichkeit ist. Viele Orchester betrachten ein so häufig gespieltes Werk nur als Routinejob, der mit geringstmöglichem emotionalen Aufwand abgespult wird. Das war am Sonntag glücklicherweise ganz anders. Man hörte aufeinander und ermöglichte es den Solisten zu glänzen. Da hatte der Musikverein mit der Verpflichtung von Klaus Mertens (Bass) und Tilman Lichdi (Tenor) gerade bei den Männerstimmen erneut ein sehr gutes Händchen. Beide sind in ihrem Fach nicht einfach nur souveräne Sänger, es sind musikalische Gestalter, die ihren Arien und Rezitativen oft Neues, immer aber Berührendes abgewinnen. Rahel Mass (Sopran), die für die verhinderte Miriam Burkhardt kurzfristig eingesprungen war, und Alexandra Paulmichl (Alt) musizierten jederzeit auf Augenhöhe mit ihren männlichen Pendants.

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