Pirmasens Leidenschaft mit Bodenhaftung

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Sie kennen die coole Sneaker-Szene in Berlin, London und anderswo. Auch sie leben ihre Leidenschaft für diese Schuhe: die „Schuhstädtler“, die den „Turnschuh-Stammtisch“ pflegen. Aber jeden Trend machen sie nicht mit. Mit Kangaroos haben sie jetzt den „Schuhstädtler-Schuh“ erschaffen, made in Münchweiler.

Ihr Geschmack ist nicht auf eine Marke festgelegt, doch zur Feier dieses Tages tragen sie alle das gleiche Logo am Fuß: ein hüpfendes Känguru – Zeichen der bekannten Sneaker-Marke Kangaroos, die die Pirmasenser Bernd Hummel GmbH als Hauptlizenznehmer herstellt. Es ist für die Jungs und Mädels, die sich selbst „Schuhstädtler“ nennen, ein besonderer Tag: Sie nehmen von Designer Marco Lachner im Neuffer einen Schuh entgegen, der als Kooperation von Kangaroos und dem 2012 gegründeten Pirmasenser „Turnschuh-Stammtisch“ entstanden ist. Gefertigt wurde der Sneaker als limitierte Linie in der neuen Manufaktur Hummel & Hummel in Münchweiler (wir berichteten am 5. Dezember). Solche Kollaborationsschuhe, im Fachjargon „Collabo-Schuhe“, fertigt Kangaroos für Modelabels oder Sneaker-Trend-Läden wie das Berliner „Overkill“. Die Schuhe werden limitiert und sind unter Sammlern teilweise heiß begehrt, berichtet Szene-Kenner Marco Lachner. So sehr, dass die dann auch mal eine Nacht vor dem Verkaufsstart vor dem Laden campieren. Oder später das begehrte Objekt auf der Internet-Plattform Ebay für schlappe 850 Euro ersteigern. Solche Erlebnisse verbinden auch die „Schuhstädtler“: im Kern 14 junge Männer und zwei junge Frauen zwischen 23 und 33 Jahren, die eine Leidenschaft für Turnschuhe teilen. Nächtelanges Logieren vor einer Ladentür, Tages-Trips nach London, Köln oder Berlin – das gehört dazu. Er sei schon als Schüler mit dem Zug von Pirmasens nach Köln zu einer Sneaker-Ausstellung gefahren, erzählt ein Endzwanziger– zu Lasten des kompletten Taschengeldes. Für die Jungen war das damals keine große Frage. In Pirmasens, sagen etwa Florian und David, habe man eben keine Schuhe kaufen können, sondern habe ohnehin in andere Städte fahren müssen. David und Florian kommen von hier, sind „90er-Jahre-Kids“, Vertreter einer Generation von Turn- und Basketballschuh-Trägern. Irgendwie hat sich daraus eine Leidenschaft für die sportlichen Schuhe entwickelt. Für David hat auch seine Mutter ihren Anteil daran. Die habe nämlich, erzählt er, in einer Schuhfabrik gearbeitet und er habe immer Schuhe aus dieser Produktion tragen müssen – „das kompensiere ich heute bestimmt“, sagt er und lacht. Familiär vorbelastet sind noch andere. Florians Großeltern hatten mit Schuhen zu tun, bei Claudia und Marc war eine Oma in der Schuhfabrik, der Vater arbeitet als Ledereinkäufer. Ja, mit Schuhen kenne sie sich aus, bestätigt die 26-Jährige. „Ich weiß, was ein guter Schuh ist.“ Claudia arbeitet als Kreditmanagerin bei einer Bank, fährt täglich aus dem Landkreis nach Karlsruhe. Florian ist für eine Baumarktkette nahe Landau tätig; auch er will nicht fortziehen aus der Heimatregion, an der er vor allem Ruhe und Natur schätzt. David ist Heilerzieher, die anderen sind Lehrer, Betriebswirt, technischer Einkäufer. Manche kennen sich zwar aus Schülerzeiten, Freundschaften entstanden jedoch erst später über das gemeinsame Hobby. Man traf sich immer wieder, fachsimpelte, erzählte. So kamen auch „Auswärtige“ hinzu; und Pirmasenser, die wegzogen sind, hielten wiederum den Kontakt. Heute reicht der Radius von Mannheim über Kaiserslautern, Mainz und Trier bis hinauf nach Köln. Im Juli 2012 gründeten die Schuh-Liebhaber ihren Stammtisch: den Turnschuh-Stammtisch „Schuhstädtler“. Einmal im Monat treffen sie sich in Pirmasens im „Bierfässl“ zum Essen – gerne Schnitzel und Pommes –, zum Anstoßen und zum Erzählen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Schuhe, sondern auch um Klatsch und Tratsch aus der Heimat, um Privates und Persönliches – was Freunde eben so bereden. Treffen wollen sie sich, weil sie nicht nur per Facebook miteinander kommunizieren wollen, sagen sie. Und ihre Runde haben sie ganz bewusst „Turnschuh-Stammtisch“ genannt. Denn „Sneaker-Stammtische“ gebe es heute ja in jeder deutschen Metropole. Aber nur ihr Stammtisch habe seine wahre Berechtigung, denn: „Wir sind aus der Schuhstadt“. Damit wollen sich die „Schuhstädtler“ auch absetzen von allzu abgehobenen Sneaker-Freaks. Klar, auch sie jagen ihren Schuhen hinterher, haben zumeist ein paar hundert Exemplare Zuhause stehen. Auch sie geben zuweilen viel Geld dafür aus – dreistellige, sogar auch mal vierstellige Beträge. Ihre Leidenschaft hat dennoch Bodenhaftung: „Wir tragen unsere Sneaker nicht im Rucksack spazieren“, formuliert es Claudia. Und sie jagen nicht jedem Trend hinterher. Heute werde einiges künstlich aufgeblasen, stellt David fest. Da seien dann beim Ansturm auf neue Modelle schon Zwölfjährige dabei, deren Mütter den Geldbeutel zückten. Andere bezahlten „Ansteher“ in der Warteschlange – Apple lässt grüßen. Da gehe es dann längst nicht mehr um das Produkt selbst, meint David. Den Schuhstädtlern ist das Produkt etwas wert. Deswegen haben sie sich auch für ihren Stammtisch eigene Schuhe aus der Heimat gegönnt – ein Novum in der Turnschuh-Welt. Entworfen wurden sie als zeitlose Kangaroos-Sneakers, gefertigt in der Schuhmanufaktur Hummel & Hummel in Münchweiler. Mit eigenem Logo und weiteren Besonderheiten, die aber erst Ende Januar offiziell vorgestellt werden. Zu kaufen gibt es diese Auflage übrigens nicht. Und „verticken“ auf Ebay ist für die Stammtisch-Mitglieder strengstens verboten – unter Androhung des ewigen Ausschlusses vom ersten und einzigen Pirmasenser Turnschuh-Stammtisch.

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