Pirmasens Impulsstörung schuld an Ausrastern
Im Verfahren gegen einen 20-Jährigen, der vor allem in einem Pirmasenser Heim vielfach auf Bewohner und Betreuer eingeschlagen, sie beleidigt und dort randaliert hat (wir berichteten), taten sich alle Verfahrensbeteiligten schwer, das richtige Strafmaß für den geständigen Angeklagten zu finden. Das erklärte auch Mark Edrich, Vorsitzender des Jugendschöffengerichts, der eine Jugendstrafe von sechs Monaten aussprach für Körperverletzungen, Beleidigungen und Diebstahl in insgesamt neun Fällen.
Der Angeklagte sei zum ersten Mal vor Gericht, nachdem einige Verfahren im Ermittlungsstadium eingestellt worden waren, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne – mit Auflagen, die ihm auch eine Stütze geben sollen. „Wir geben ihnen damit die Chance, die sie unbedingt wollten. Nutzen sie sie“, so Edrich, nachdem der Angeklagte vielfach geweint und darum gebeten hatte, nicht mehr weg gesperrt zu werden. Auch wenn der Gutachter festhielt, dass der Angeklagte dauerhaft vermindert schuldfähig sein wird, müsse er damit rechnen, dass er hinter Gitter komme, wenn er so weitermache, mahnte Edrich. Noch bestehe Hoffnung, dass man auf den jungen Mann einwirken und an seinen krankheitsbedingten Einschränkungen arbeiten kann. Hierzu bezog sich das Gericht auf die Erkenntnisse des begutachtenden Psychologen, der das komplexe Krankheitsbild und das Zusammenwirken verschiedenster, für den Angeklagten tragischer Faktoren ausführlich dargelegt hatte. Von den Eltern schon als Kind nicht gefördert, festigten sich früh Verhaltensmuster, die schon seit Jahren in Straftaten münden. Zahllose Fälle wurden laut diversen Betreuern nicht zur Anzeige gebracht. Wichtig seien hier verhaltensmodifizierende Maßnahmen. Eliminieren könne man die Einschränkungen nicht, aber wenn man mit langem Atem an die Sache gehe und auch Rückschläge mit einkalkuliere, könne man die verhaltenspsychologischen Defizite zumindest verbessern. Erschwert werde die Arbeit mit dem Angeklagten durch seine extreme Intelligenzminderung. Neben der kognitiven und intellektuellen Störung sei vor allem seine Impulsstörung das Problem. Es brauche nicht viel, damit er ausrastet und blind vor Wut auf Menschen losgeht und Einrichtungen verwüstet. Diese Störung des Sozialverhaltens werde mit einer extrem hoch dosierten Medikamentenbehandlung eingedämmt. Die sedierenden Mittel seien aber auch dringend nötig, um seine äußerst geringe Frustrationstoleranz und die Wutausbrüche im Griff zu haben. Sollte er weiter aggressiv auf Mitmenschen losgehen, müsse über weitere Schritte diskutiert werden, mahnte Edrich. Auch im Fortsetzungstermin hatten Zeugen, weitere Betreuer, frühere Mitbewohner und die Schwester des Angeklagten, die er auf offener Straße verprügelt und bewusstlos geschlagen hat, die „äußerst aggressive Art“ des 20-Jährigen herausgestellt. Als Teil der Auflagen wird er für ein Jahr unter Betreuungsweisung stehen, während der er laut Edrich nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werde. Parallel dazu muss er 40 Stunden abarbeiten, um zu lernen, Regeln und Ansagen zu befolgen sowie seine Medikamente regelmäßig zu nehmen. (mrk)