Pirmasens Eine Band auf Heimweh-Urlaub

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Mit dem „Trio Pléiade“, das kurzfristig für die durch Krankheit verhinderte Chanson-Band „Cinq Couleur“ eingesprungen war, hatte der Veranstalter des Musiksommers im Pirmasenser Neufferpark Wolfgang Kuchem ein bemerkenswert gutes Händchen. Allein schon sein Beharren auf dem französischen Musik-Aroma war klug, umso mehr noch, als sich das „Trio Pléiade“ um den Pirmasenser Thomas Göller als echter Glücksgriff erwiesen hat.

Genau genommen war es schierer Zufall, dass Göller, der singt, komponiert, Gitarre und Querflöte spielt, zusammen mit seiner Frau Manuela (Gesang) und Pierre „Pierrot“ Boyer am Akkordeon sozusagen auf Heimweh-Urlaub an den Horeb zurückgekommen war und so für das gut besuchte Konzert im Neufferpark zur Verfügung stand. Das Arrangement gelang durch Vermittlung von Dieter Geisinger, der seit vielen Jahren freundschaftlich und musikalisch mit Göller verbunden ist. Es macht eingestandenermaßen schon einen Unterschied, wenn eine Band personell und musikalisch über eine „Appellation d’Origine Contrôlée“ verfügt. Wie Camembert, Cidre und Calvados bringen Manuela Göller und Pierre Boyer sozusagen nativ als gebürtige Normannen ihre kontrollierte Herkunftsbezeichnung mit, die für authentische Qualität und unverwechselbaren Zungenschlag steht. Allein schon Manuela Göller ist als Sängerin schlicht eine Wucht. Wer Jacques Brels düster-vulgäres „Amsterdam“, das nach gängiger Lesart tunlichst nicht von Frauen gesungen werden sollte, derart bitter, sehnsuchtsvoll und verzweifelnd interpretieren kann, dem stehen alle Spielarten des Chansons offen. In an Juliette Greco gemahnendes Schwarz gewandet, verwandelt sie den lauschigen Biergarten unversehens ins Montmartre-Kabarett „Au Lapin Agile“, ist so sexy wie die junge Brigitte Bardot, so weltklug wie die Piaf, so sentimental wie Gilbert Becaud und so poetisch wie die Greco, wenn sie „Les Feuilles mortes“ singt. Eigenkompositionen wie die Hymne auf die kleine bar à vin „Chez Lorette“ bringt Manuela zu Tränen rührend. Dann Boyer und sein Akkordeon. Dieser Fuchs – wie so viele französische Musiker elektronischen Gadgets höchst zugänglich – bedient nämlich keineswegs das klassische akustische Knopfakkordeon, sondern dessen zeitgemäßen digitalen Nachfolger. Der Balg pumpt da keine Luft mehr, sondern Dynamik und unter den Knöpfen lassen sich nicht nur Akkordeon-Klänge, sondern auch Kontrabass, Hammond-Orgel und – wenn einen der Geschmack verlässt – sogar ein Schlagzeug hervorzaubern. Das ist nichts für beinharte Puristen, verhilft der Musik aber zu willkommenen zusätzlichen Klangfarben. Was für ein untadeliger Könner trotzdem in Boyer steckt, beweist er solo mit Astor Piazollas „Libertango“, das zum Repertoire des Bandoneon-Virtuosen Richard Galliano gehört, der im September letzten Jahres bei Euroclassic in Pirmasens zu Gast war. Thomas Göller, den seine Freunde „Onkel“ rufen, ist das bisweilen geradezu unauffällige Zentrum der Band. Gitarristisch wirklich mit allen Wassern gewaschen, wechselt er bruchlos zwischen Django-Reinhardt-Manier, Flamenco-Anklängen, klassischem Folk-Picking und Caterina-Valente-Schlag, fügt da und dort einen blitzschnellen Lauf ein und ist mit den kleinen Details des Gitarrenspiels ein richtiges Schlitzohr. Er singt herzzerreißend, wenn er Eric Claptons „Tears In Heaven“ oder seine persönliche Hommage auf den „Sandstein in der Pfalz“ intoniert. Er lässt die sprichwörtliche Sau raus, wenn es denn zum Schluss mit „Volare“ und „Bamboleo“ ein bisschen krawallig nach „Gipsy Kings“ klingen soll. Ach ja: Querflöte und Tin Whistle kann er auch. Eine Band, die wie das „Trio Pléiade“ all diese stilistischen Gegensätze schlüssig zusammenhalten kann, muss man lange suchen. Oder einfach für ein weiteres Konzert engagieren.

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