Pirmasens Amerikas Lieblinge

Sie hat bereits sieben und ist für sieben weitere nominiert, er hat zwei und ist nun für elf im Renen, für einen Song sind sie gar gemeinsam nominiert: Bei den Grammy-Musikpreisen, die heute Abend verliehen werden, sind Taylor Swift und Kendrick Lamar die Favoriten – das Ex-Countrygirl und der rappende Straßenpoet mit Geschichtsbewusstsein.

„To Pimp A Butterfly“ heißt frei nach Harper Lees Rassentrennungslehrstück „To Kill A Mockingbird“ (Wer die Nachtigall stört) Kendrick Lamars drittes Album, das 2015 so ziemlich alle Jahresbestenlisten angeführt hat. Auf solch einen Wurf hat wohl jeder HipHop-Enthusiast gewartet: Der 28-Jährige aus dem kalifornischen Compton, der Heimat der Gangs und Geburtsort des Westcoast-HipHop, bringt dem Rap die Würde zurück. Kendrick Lamar ist kein „Gangsta“ mit dicken Goldketten, er reflektiert vielmehr klug die aktuelle Lage der schwarzen US-Bevölkerung, zitiert Größen wie Martin Luther King („one nation under a groove“) oder rappt über Kunta Kinte. Und rappen kann er. Unangestrengt, leicht fließend und zugleich in alten Traditionen verwurzelt, klingt seine Stimme. Die Musik dazu verbeugt sich vor Soul-, Blues- und Funktraditionen (George Clinton mischt mit) sowie dem HipHop der frühen 1990er. Viel Miles Davis hat Lamar gehört, auch auf Dr. Dre, Michael Jackson oder 2Pac verweisen die Texte des Albums. Mit „I“, einem optimistischen, sommerlichen Song über das Selbstbewusstsein junger Afroamerikaner, gewann Kendrick Lamar im Vorjahr zwei erste Grammys. Nun ist er für „To Pimp A Butterfly“ und die Single „Alright“ nominiert. Sie ist thematisch dunkler, wie auch das Album, das als Soundtrack zu den US-Rassenunruhen des Vorjahrs gelesen worden ist. Und doch verströmt Lamars Musik einen Grundoptimismus, der vor allem die Hörer begeistert. Im Stück „Bad Blood“, das für zwei Grammys nominiert ist, ist der Rapper aus dem sozialen Brennpunkt an der Seite von Taylor Swift zu hören, dem Darling des US-Pops aus der gehobenen Mittelschicht. Die 26-Jährige hat sich trotz eher austauschbarer Stimme vom Countrysternchen zur ernsthaften Pop-Größe entwickelt, die sich auch mit Konzernen wie Apple und Streamingdiensten wie Spotify anlegt. Und sie ist nicht das schlechteste Vorbild für junge Mädchen. Als eifrige Clubtänzerin und Partygirl präsentiert sich Taylor Swift zwar zunächst im Hit „Shake It Off“, doch singt sie auch „Ich tanze allein“: Es geht auch ohne Mann, sie will sich nicht abhängig machen. Das war auch die Botschaft ihres Hits „Blank Space“, der zwar schon recht abgehangen ist, aber wie das zugehörige Album „1989“ erst jetzt für Grammys nominiert werden konnte – die Fristen! Swift weiß, auch dank versierter Komponisten im Rücken, wie US-Pop heute klingen muss, um bei der Masse zu punkten: makellos, angenehm und ein bisschen pfiffig. Im dreifach nominierten „Blank Space“ also gibt sich die Sängerin als Liebende, die gern das Heft in der Hand hält. Die Liste ihrer Ex-Freunde ist lang, singt sie. Und sie hat eine Stelle für seinen Namen freigelassen, säuselt sie den Derzeit-Freund an, mit dessen Tun sie nicht einverstanden ist. Swift droht gar Rache an: Sie sehe zwar aus wie der fleischgewordene Traum eines jeden Jungen, könne sich jedoch als Alptraum entpuppen. „Out Of The Woods“ wiederum ist Swifts neues Video. Gehalten im „Tribute von Panem“-Stil, streift sie darin durch die Natur, trotzt den Elementen, zähmt Wölfe. Der Liebessong, der zunächst von einem gemeinsamen Weg erzählt unter Anleitung des Partners („Du hast meinem Leben Farbe gebracht“) endet fast feministisch: „Sie hat ihn verloren, aber sich selbst gefunden.“ (Fotos: dpa)

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