Rheinpfalz Dunkler Schaum, dicker Schlamm

50 Minuten arbeitet je einer der fünf Taucher im Faulturm. Im Dunkeln sind die Hände seine Augen, er muss seine Arbeit ertasten.
50 Minuten arbeitet je einer der fünf Taucher im Faulturm. Im Dunkeln sind die Hände seine Augen, er muss seine Arbeit ertasten.

«Lauterecken.»Fango mal anders: 37 Grad warm ist der im Reinigungsprozess der Kläranlage anfallende Schlamm, in dem Thin Arne, Roland Galler, Cavic Svetko, Leon Flümke und Jörg Richter arbeiten. Im Faulturm wird der Schlamm ein letztes Mal biologisch gereinigt. Es ist ein Kreislauf, das Biogas, das dabei entsteht, hält unter anderem die Masse auf Betriebstemperatur. Doch dieser Kreislauf ist durch allerlei Unrat gestört. Deshalb ist die Putztruppe angereist, fünf Berufstaucher aus Ostfriesland, der Bremer Gegend, Weißwasser in Sachsen, Niederösterreich und der Steiermark, freiberuflich tätig für eine spezialisierte Firma mit Sitz in Wien. Cavic Svetko schwitzt an diesem heißen Morgen schon im T-Shirt. Das wird in der kommenden guten Stunde im Trockentauchanzug aus robustem Material nicht besser werden. Der 39-Jährige ist der erste, der taucht. 50 Minuten wird er unten sein, rund 20 Meter tief. Danach folgen 15 Minuten Austauchen in drei Meter Tiefe. „Die Regeln sind wie beim Sporttauchen“, erläutert Thin Arne. Das heißt: Auch eine Dekompressionskammer ist verfügbar. Gewichtige Ausrüstung Um die 60 Kilogramm wiegt die Ausrüstung, die Svetko mit Hilfe seiner Kollegen anlegt: ein Helm schwer wie eine Bowlingkugel, Fußgewichte, Bleiweste. Einigermaßen filigran sind nur die Handschuhe. Sie sehen aus wie Putzhandschuhe aus dem Haushaltswarensortiment. Das hat seinen Grund: Die Hände sind dort, wo alles nur noch schwarz ist, quasi die Augen der Taucher. Um Svetkos Körper windet sich eine Leine aus drei farbigen Schläuchen. Rot steht für die Telefonleitung, gelb für die Atemluft, die ein Kompressor nachliefert, schwarz für die Reserveluft aus zwei 50-Liter-Flaschen. „Könnt ja ein Stromausfall sein“, meint Arne lapidar. Mit 43 Jahren ist der Mann mit dem Pferdeschwanz der Älteste im Team. Eine Grenze nach oben gibt es nicht. „Man kann tauchen, so lange man die jährliche ärztliche Untersuchung besteht. Ich weiß von einem, der war mit 72 noch dabei.“ Der Taucher ist so weit. Wie Captain Nemo in „20.000 Meilen unter dem Meer“ stapft er behäbig auf das Loch in der Decke des Turms zu. Sein Seil ist an der Hüfte eingehakt. Im Notfall könnten ihn die Kollegen daran hochziehen. Im Normalfall wird er es nur zum Aussteigen brauchen. „Über die Brüstung kommen wir nur mit Hilfe der Winde.“ Die hebt den Taucher mit seiner schweren Ausrüstung hoch. Alle zehn Jahre Großputz In Richtung dunkler Tiefe hilft die Schwerkraft. 20 Meter oder 86 Stufen über Bodenniveau sinkt Svetko ratzfatz hinunter in den dunklen Schaum und dicken Schlamm. Er wird sich von der Mitte aus zu den beiden acht, neun Meter langen Leitern tasten, die den Männern festen Stand gewähren, wird das Saugrohr suchen, das all die unerwünschten Schmutzteile, die den Arbeitsprozess im Faulturm stören, in Container draußen befördert, und ebenso den mit 300 bar arbeitenden Hochdruckreiniger. Alle zehn Jahre sei der Großputz im Faulturm fällig, erläutert der Leiter der Kommunalen Betriebe, Fred Wolf. Bei der derzeitigen Witterung kommen etwa 50 Liter Abwasser pro Sekunde im zwischen Lauterecken und Medard gelegenen Becken an. Sie bringen allerlei mit: Sand und gelöste Stoffe, aber auch Material, das sich im Wasser zersetzt. Die Zacken des letzten Rechens auf dem langen Weg des Abwassers – eine Investition von 150.000 Euro, sagt Wolf – stehen zwar nur drei Millimeter auseinander. „Aber irgendwas flutscht immer durch. Und leider hat das Material die Eigenschaft, sich später im Reinigungsprozess zu verzopfen.“ Umwälzen ging nicht mehr Was laut Wolf gravierende Folgen hat. „Damit die Bakterien im Faulturm ihre Arbeit machen können, muss die Masse auf etwa 37 Grad gehalten und umgewälzt werden. “ Das ging zuletzt im Lauterecker Turm nicht mehr. „Die unteren zehn, 15 Meter saßen fest. Dann muss man entweder den Turm komplett leeren und danach wieder auf Temperatur bringen, was bei 2800 Kubikmetern Inhalt ewig gedauert hätte. Oder man holt die Taucher.“ Die haben den Vorteil, dass der Betrieb weiterlaufen kann. Einen dicken meterlangen Zopf aus ungelösten Stoffen, der aussieht wie in den Matsch gefallene Schafwolle, haben die Männer gleich am Anfang aus dem Abfluss des Turms herausgezogen. Saubere Arbeit „Unsere Arbeit sieht vielleicht wild aus, aber das ist sie nicht“, sagt Arne. „Kläranlagentauchen ist eine saubere Arbeit. Viel besser, als in einer Baugrube zu tauchen, mit Dixie-Klos und Wohncontainern, die sich 30, 40 Mann teilen müssen.“ In Lauterecken hingegen wohnen die Taucher im Hotel und die Kläranlage hat einen Aufenthaltsraum und Sanitärräume. 20 Tage werden sieden Faulturm der Kläranlage putzen, Ruhetage gibt es nicht. Und wenn sich der Taucher mal einen Riss im Anzug holt? „Dann duscht man und alles ist wieder gut“, erklärt Arne.

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