Neustadt Zähe Wahrheitssuche

Geschichten, was einige Haßlocher Jugendliche in der Nacht des 19. September 2015 so gemacht hatten, hörte sich die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Frankenthal am Mittwoch, dem zweiten Verhandlungstag in einem Verfahren gegen einen 28-jährigen Haßlocher, mehrere Stunden lang an.

„Bevor ihr uns hier den Sack zulügt, wäre es mir am liebsten, wenn ihr gar nichts sagt“, kommentierte der Vorsitzende Richter Karsten Sauermilch die diversen Geschichten. Laut der Anklage von Staatsanwalt Wolfgang Seifert soll der 28-Jährige in der Nacht des 19. September in seiner Wohnung einen 20-jährigen Haßlocher mehrfach geschlagen, mit einem Baseballschläger bedroht und ihn gezwungen haben, sich auszuziehen und einen Müllsack anzuziehen. Außerdem soll der Angeklagte ihm Smartphone, Uhr, EC-Karte und Jacke abgenommen haben. „Ich hatte einfach nur Todesangst“, sagte der 20-Jährige am Mittwoch. Er berichtete, dass ihn ein Bekannter am späten Abend angerufen und gesagt habe, dass er in die Wohnung des Angeklagten kommen solle. Als er dort angekommen sei, habe ihn der Angeklagte aufgefordert, sich neben ihn auf die Couch zu setzen, die Brille abzunehmen „und dann wurde ich gleich geschlagen“. Während der folgenden Misshandlungen habe er mehrfach gesagt, dass er gehen wolle, „ich durfte aber nicht“. Der Angeklagte habe ihn immer wieder bedroht und geschlagen, so habe der 28-Jährige ihm beispielsweise mit dem Baseballschläger gedroht, als er auf dem Boden lag und aufstehen wollte. Irgendwann „habe ich angefangen zu weinen, weil ich gar nicht mehr konnte“, sagte der 20-Jährige und kämpfte erneut mit den Tränen. Vier Jugendliche aus Haßloch im Alter von 16 beziehungsweise 17 Jahren waren die ganze Zeit in dem Zimmer dabei. „Ich habe immer wieder gesagt, helft mir, macht was, doch niemand hat während der ganzen Situation etwas gegen ihn unternommen, keiner hat versucht mir zu helfen“, erklärte der 20-Jährige. Die vier hätten die ganze Zeit Playstation gespielt und gekifft. „Wir haben uns über irgendwelche Sachen unterhalten“, sagte ein 17-Jähriger. „Neben Ihnen wird jemand geschlagen und gequält und Sie unterhalten sich über irgendwas“, fragte der Staatsanwalt. „Ja“, lautete die Antwort. „Ich war mit meinen Gedanken wo anders“, antwortete ein anderer 17-Jähriger auf die Frage von Seifert, warum er dem 20-Jährigen nicht geholfen habe. „Das mit dem Ausziehen war übertrieben“, aber alles andere sei in Ordnung gewesen, kommentierte ein 16-Jähriger das nächtliche Geschehen. Er sagte, dass auch er dem 20-Jährigen „eine leichte Ohrfeige“ gegeben habe. Auch einer der 17-Jährigen soll zugeschlagen haben. „Ich weiß nicht“, „ich meine“, „ich kann mich eigentlich nicht mehr erinnern“, diese Antworten bekamen die Kammer, Seifert und Rechtsanwalt Sebastian Göthlich immer wieder, wenn sie die Jugendlichen nach dem genauen Ablauf des Geschehens fragten. Nur äußerst mühsam gelang es, den verschiedenen Zeugen Details zu entlocken. Wobei das, was die einzelnen Zeugen sagten, häufig in deutlichem Widerspruch stand und oft auch ganz anders war, als das, was sie vorher bei der Polizei ausgesagt hatten. „Das war eine Bestrafungsaktion, eine Demütigung. Um was ging es?“ Immer wieder stellte Sauermilch diese Frage. „Das riecht förmlich nach einer Geschichte“, stellte auch Göthlich fest. Der Angeklagte äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Der 20-Jährige beteuerte, er wisse nicht, was der Grund für das Verhalten des Angeklagten gewesen sei. Nach längerem Hin und Her sagten die Jugendlichen, es könne sein, dass der Angeklagte den 20-Jährigen bestrafen wollte, weil der bei einem Weinfest einem der Jugendlichen ein Handy „geklaut“ habe. Außerdem sei der Angeklagte sauer gewesen, weil der 20-Jährige mehrfach andere bedroht und dabei als Drohmittel den Angeklagten genannt habe. Der Prozess wird am 29. Juni, 10 Uhr, fortgesetzt. (ann)

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