Neustadt „Wir sind Stielglas und Dubbeglas“

Chako, „De Edle Wilde“ heißt Ihr neues Programm. Da denke ich zuerst an Karl May und dann an Rousseaus „Zurück zur Natur“.

Der edle Wilde versinnbildlicht das Ideal des von Natur aus guten Menschen, der von den Zwängen der Zivilisation unverdorben in der freien Natur lebt und den reinen menschlichen Geist und seine positiven menschlichen Eigenschaften verkörpert – des sin mir. Die Pälzer. Die letzten edlen Wilden, die es noch gibt. Was bedeutet das? Wir sind edel, wir sind wild. Wir sind Stielglas und Dubbeglas. Saumagenburger auf dem Wurstmarkt und Sterneküche im Restaurant. Wir sind immer beides und wenn man die zwei Extreme zusammennimmt, kommt eben diese super Mischung heraus, die uns Pfälzer auszeichnet. Aber niemand bezeichnet sich selbst als „Edle Wilde“, da kommt doch immer jemand von außen und zeigt auf jemand anderen … ? Ja, das wird auch im Programm aufgegriffen. Es geht um eine Art Safari in die Pfalz und ich bin der Reiseleiter, der Ranger. Es geht um das Entdecken fremder Kulturen. Dabei werde ich zwar auf Hochdeutsch die Teilnehmer begrüßen, dann aber die Sprache der Eingeborenen sprechen. Wer sind die Teilnehmer? Das ist erstmal das Publikum, das einfach zu meiner Reisegruppe umfunktioniert wird. Und da sind Figuren auf der Bühne, die ich spielen werde. Ein Studiosus auf Bildungsreise, ein pfälzischer Motzer, ein Handy-Urlauber, einer, dem immer alles zu teuer ist. Woher kommt die Idee? Ich habe selber eine Safari in Südafrika gemacht, daher stammt die Grundidee. Und ich reise gerne in ferne Länder und begegne fremden Kulturen mit Neugier. Da habe ich im Lauf der Jahre eine Menge erlebt, was in dieses Programm einfließt. Zum Beispiel, was für irre Fragen sich so ein Ranger anhören muss. Aber die Safari ist nur Rahmen und Einstieg. Natürlich geht es noch um viele aktuelle Sachen. Zum Beispiel? Etwa das so sehr gewünschte und geförderte Zusammenkommen der Metropolregion, während gerade sämtliche Rheinbrücken zusammenbröseln und allgegenwärtige Baustellen der Normalzustand sind. Damit muss man umgehen lernen. Und die Pfälzer haben da ihre eigenen Ideen, von denen ich berichten werde. Pfälzer sind anderswo nicht immer selbstbewusst und schämen sich wegen ihres Dialekts. Das ist jetzt ganz anders. Ich kann jetzt endlich beweisen, das Pfälzisch die Mutter aller Sprachen ist. Es gibt in allen Weltsprachen noch Reste vom Ur-Pfälzisch. Selbst in Höhlenzeichnungen der Steinzeit hat man Hinweise auf Pfälzer gefunden. Das werde ich alles genau beschreiben. Erstaunlich! Und geht dann das ganze Programm nur um die Pfalz? Nein, ich spreche zwar konsequent Pfälzer Mundart, aber ich betrachte auch andere Themen. Derzeit geht bei uns im Land ziemlich viel durcheinander. Da entsteht ein riesiger Druck. Und Humor und Satire wären da ein ganz wichtiges Ventil zum Dampf ablassen. Wenn aber der Humor auch noch Vorschriften bekommt, was er sagen darf und was nicht, dann geht uns dieser Druckausgleich verloren. Merken Sie das beim Schreiben Ihrer Texte? Wenn ich einfach alles zu Papier bringen würde, was mir so durch den Kopf geht, würde ich vielleicht einen Teil meines Publikums verprellen. Sie sind nicht sicher, ob die Zuhörer etwas so verstehen, wie sie es meinen? Es gibt Reizworte, die bei manchen Leuten automatische Reaktionen auslösen. Da wird nicht mehr nachgefragt, sondern da heißt es gleich: „Aha, so einer ist das.“ Das kann sehr gefährlich sein. Anstatt eine demokratische Debatte zu führen, bei der man sich gegenseitig zuhört, schmeißt man sich nur noch hysterische Statements an den Kopf und versucht, andere Meinungen reflexartig mit gewissen Schlagwörtern K.O. zu machen. Oder man hindert andere am Reden. Da bin ich froh, dass man als Kabarettist und Satiriker noch e bissel mehr Freiheit hat. Ich kann mehr Sachen sagen und ein bisschen mehr wagen, wenn das Ganze lustig verpackt wird. Wie wichtig das ist, habe ich im Carnival in Trinidad und Tobago gesehen. Warum ist das wichtig? Ich habe früher längere Zeit in Trinidad zugebracht. Das ist eine bunte Mischgesellschaft, die wir uns hier gar nicht vorstellen könnten. Da leben Christen, Moslems und Hindus zusammen und Menschen der verschiedensten Herkunft. Für den Carnival entstehen dann Lieder, in denen man sich über alles lustig machen darf, ohne Rücksicht auf Verluste. Auch im persönlichen Umgang kursieren Witze und Sprüche, die man hierzulande als „rassistisch“ ansehen würde. Aber das Ganze ist spielerisch. Im Carnival kann das alles raus. Durch das Lachen über die Andersartigkeiten der verschiedenen Kulturen unter einem Dach wird Dampf aus dem Ethno-Kessel gelassen. Und danach regt sich keiner mehr auf, dass die Moslems einen eigenen Feiertag haben und die Hindus einen anderen. Hauptsache, jeder hat frei. Und soll bei uns der Humor dann auch eine solche Funktion haben? Das wäre schön. Und wichtig. Auch wenn ich fürchte, dass es in diesem aufgeregten, nervösen Land immer schwieriger wird. Awwer isch verspresch: ich gebb mer Müh – auf edle und wilde Art. Termine Die Premiere von „De Edle Wilde“ ist am Mittwoch, 31. Oktober, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol. Weitere Termine: 2. November Pfalzbau, Ludwigshafen; 3. November Saalbau, Neustadt; 9. November Congressforum, Frankenthal, 10. November Festhalle, Landau.

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