Neustadt Wechselbad der Gefühle

Deidesheim. Klassik zieht. Zumindest galt das am Sonntagabend für das Benefizkonzert des in Ruppertsberg lebenden Musiker-Paares Tatjana (Klavier) und Eduard Sperling (Violine) in der Deidesheimer Stadthalle. Eingeladen zu dieser außergewöhnlichen Veranstaltung hatte die Gemeinde Ruppertsberg. Deren Ortsbürgermeisterin Ursula Knoll war sichtlich überwältigt von dem großen Zulauf, den das Konzert zur Unterstützung der musikalischen Jugendarbeit in der Verbandsgemeinde Deidesheim erlebte.

Rein klassische Konzerte sind im „Paradiesgarten“ eher eine Seltenheit. Das Publikum hält förmlich den Atem an. Tatjana und Eduard Sperling lösen die Spannung mit dem Scherzo für Violine und Klavier, dem 3. Satz der FAE-Sonate. Ein für Brahms’sche Verhältnisse tatsächlich fröhliches Stück und zudem sein Anteil an der mit den Tönen F, A und E („Frei aber einsam“) spielenden Sonate, die er seinerzeit gemeinsam mit zwei Freunden für den Geiger Joseph Joachim verfasst hatte. Es ist ein starker Einstieg, mit viel Beifall und ersten Bravorufen bedacht, der emotional und in seiner künstlerischen Vielfalt gleichzeitig hinführt auf Brahms’ Sonate für Violine und Klavier d-Moll, Opus 108. Zart und liebevoll setzen Tatjana und Eduard Sperling mit dem Allegro ein, in dem schon kurz darauf mit Brahms’scher Vehemenz das Klavier nach vorne drängt. Die Instrumente wechseln sich ab. Wehmütig, wie in den „Ungarischen Tänzen“, klingt die Geige, bis beide Instrumente nach einem Wechselbad der Gefühle wieder zusammenfinden. Ruhig und entspannt, mit viel lyrischem Einfühlungsvermögen, folgt das Adagio, in dem die Geige die Führung hat. So heiter wie der gerade zu Ende gegangene Frühlingstag beginnt der dritte Satz „Un poco presto e con sentimento“, in dem das Klavier mit perlenden Tönen die Geige umschmeichelt, die letztlich in einem Ausdruck von Einsamkeit verklingt. Mit viel Verve setzt dann zum Finale das „Presto agitato“ ein, ein ruheloses Vorwärtsdrängen. Wie suchend umkreisen die Instrumente einander, bis sie in einem großartigen Finale zusammenfinden. Nach der Pause zieht die klassisch aufgebaute Sonate für Violine und Klavier A-Dur des französischen Komponisten César Franck die Besucher in ihren Bann. An einen sommerabendlichen Bummel durch Paris erinnert das heitere „Allegretto ben moderato“ mit seinem musikalischen Frage- und Antwortspiel. Das abwechslungsreiche „Allegretto“ dagegen lässt mit der Geige Themen und Fragen anklingen, die das Klavier nicht wieder aufnimmt. „Einfach toll“, ist im Saal ganz leise zu hören. Das „Recitativo Fantasia ben moderato to lento“ geht nachdenklich den beiden ersten Sätzen nach: zum Dahinschmelzen zart, dann wieder voller Aufgewühltheit und sanft ausklingend. Wie ein schlichtes Volkslied knüpft daran das „Allegretto poco mosso“ an, ein Rondo, in dem sich wie im Tanz die Partner immer wieder voneinander weg und aufeinander zu bewegen. Das Publikum ist begeistert. Beruhigen lässt es sich nur mit drei Zugaben: Werken von Claude Debussy, dessen impressionistische Kompositionen Tatjana und Eduard Sperling so flirrend leicht erscheinen lassen, wie es das Licht auf den Bildern seiner malenden Zeitgenossen ist. Für die Besucher ist das Konzert eine musikalische Offenbarung: die vortreffliche Auswahl der Literatur, das hohe Niveau der technischen Ausführung, aber auch und vor allem die große Sensibilität des Miteinanders der Musiker und der Interpretation. Ein weiteres großes Plus ist übrigens das ausführliche Programmheft mit seinen verständlich geschriebenen Informationen über die verschiedenen Werke. Ohne den Einsatz vieler Helfer wäre ein solches Ereignis nicht zustande gekommen. Der Reinerlös des Benefizkonzerts fließt in die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen bei der Kolpingkapelle Deidesheim und der Ruppersberger Bloskapell.

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