Neustadt Von der Sintflut bis zum Ohrid-See

Fast eine Art Freilichtmuseum der frühchristlichen und byzantinischen Kunst: Kappadokien (hier der Blick auf Uchisar), das Prof.
Fast eine Art Freilichtmuseum der frühchristlichen und byzantinischen Kunst: Kappadokien (hier der Blick auf Uchisar), das Prof. Dr. Rainer Warland in seinem Seminar im März behandelt.

«Neustadt». Fünf Seminare, und damit eines mehr als gewöhnlich, bietet die Reihe „Alte Kulturen im Umfeld der Bibel und des frühen Christentums“ im nächsten Jahr im Neustadter Kloster. Dabei hat Pater Hans-Ulrich Vivell mit dem Freiburger Byzantinisten Rainer Warland und dem in Istanbul tätigen Archäologen Andreas Schachner auch wieder zwei vielgefragte Experten gewinnen können, die erstmals in Neustadt referieren. Der Schwerpunkt der Reihe liegt allerdings diesmal mehr auf Kunst- und Kulturgeschichte als auf Archäologie.

So kommt der Kunsthistoriker Andreas Thiel (Bad Soden), der zuletzt 2017 mit einem Seminar über die Stadt Rom in Spätantike und Mittelalter zu Gast im Kloster war, 2019 gleich zweimal mit Themen zur spanischen Kunstgeschichte nach Neustadt. Dabei behandelt er am 19./20. Januar unter der Überschrift „Córdoba, Toledo, Granada“ die verschiedenen Facetten der islamischen Kunst vor allem im Süden des Landes – von den Bauten der Kalifen bis zur Alhambra, dem verschwenderisch ausgestatteten Palast der Emire von Granada, und dem Mudejar-Stil, in dem Moslems nach der Reconquista für christliche Auftraggeber Kirchen, Klöster und Paläste bauten und dekorierten. Was etwa in der gleichen Zeit weiter nördlich auf der Iberischen Halbinsel an Architektur und Kunst entstand, ist dann Gegenstand des zweiten Seminars von Thiel, das unter dem Titel „Von Dorfkirchen und Königskathedralen – Romanische und gotische Kunst in Spanien und Katalonien“ am 7./8. September stattfindet. „Kappadokien – eine byzantinische Lebenswelt in Anatolien“ heißt dann das Seminar, das Rainer Warland am 23./24. März vom Breisgau in die Pfalz führt. Der 67-Jährige hatte von 1995 an den Lehrstuhl für Christliche Archäologie und Kunstgeschichte in Freiburg inne und gilt als ausgewiesener Kenner Kappadokiens, jener abgelegenen Landschaft im Herzen der heutigen Türkei, die durch die einzigartige Konservierung im vulkanischen Felsgestein eine Art Freilichtmuseum der frühchristlichen und byzantinischen Kunst darstellt. Warland hat dazu 2013 auch einen Bildband mit dem Titel „Byzantinisches Kappadokien“ im renommierten Zabern-Verlag veröffentlicht, durch den Pater Vivell auch ihn aufmerksam geworden ist. In dem Seminar geht es darum, Kappadokien anhand seiner Zeugnisse wie Höhlen-Klöstern, Siedlungen und zum Teil vollständig ausgemalten Kapellen als Schauplatz der kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Transformations- und Migrationsprozesse zwischen dem 6. und 14. Jahrhundert im östlichen Mittelmeerraum zu verstehen. Ebenfalls in die Türkei, auf der Zeitleiste aber etwa 2500-3000 Jahre zurück führt das Seminar zum „Großreich der Hethiter“, das am 4./5. Mai stattfindet. Der Referent Andreas Schachner hat den Lehrstuhl für Altorientalistik in Würzburg inne, ist aber hauptsächlich am Deutschen Archäologischen Institut in Istanbul tätig, wo er unter anderem die Ausgrabungen in Boğazköy, der antiken Hethiter-Hauptstadt Hattuša, leitet. „Es ist sehr erstaunlich, dass wir ihn kriegen konnten. Er ist ein sehr gefragter Mann“, sagt Vivell. Der entscheidende Kontakt kam über Volker Eid zustande, der in Istanbul seinen Zweitwohnsitz hat. Eid, aus Deidesheim stammender emeritierter Moraltheologe, Orientexperte und Stammreferent im Kloster, referiert selbst beim letzten Seminar des Jahres am 23./24. November, das in die Kulturgeschichte Albaniens einführen will. Die Reihe der von Pater Vivell geleiteten Bibelseminare beschäftigt sich 2019 mit drei besonders bunten und populären Themen aus dem Alten und Neuen Testament: So geht es am 2./3. März um die schöne Witwe Judit, die unbewaffnet in das Heerlager des assyrischen Generals Holofernes gelangt und ihn mit seinem eigenen Schwert enthauptet – eine Szene, die von vielen europäischen Künstlern (und auch Künstlerinnen wie Artemisia Gentileschi) gerne aufgegriffen wurde. Die vermutlich im 1. Jahrhundert v. Chr. auf Griechisch niedergeschriebene Geschichte schaffte es allerdings nur bei Katholiken und Orthodoxen in den biblischen Kanon, nicht jedoch bei Juden und Protestanten. Am 22./23. Juni stellt das nächste Bibelseminar dann die Frage „Die Bergpredigt – eine Utopie oder praxistauglich“ und führt damit zu jener zentralen Passage des Matthäusevangeliums, in der Jesus von Nazareth in nuce seine Lehre entwickelt. Und um das „Reißer-Thema“ schlechthin aus dem 1. Buch Mose, die Sintflut, geht es schließlich am 26./27. Oktober, wobei die biblische Schilderung in Beziehung gesetzt werden soll zu altorientalischen Sintflutberichten der Sumerer und Babylonier. Die ebenfalls von Pater Vivell verantworteten Kulturfilmabende legen 2019 ihren Schwerpunkt ganz auf Syrien. „Zeigen, wie es gewesen ist“, nennt er als Motiv, denn viele der Stätten, die die Filme behandeln, sind heute nach sieben Jahren Bürgerkrieg zerstört oder stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Termine sind 27. Januar, 28. April, 8. September und 17. November. Zum Start im Januar geht es um die „Toten Städte im nordsyrischen Kalksteinmassiv“. Noch Fragen? Alle Wochenendseminare finden im Neustadter Kloster (früher: Herz-Jesu-Kloster) statt, beginnen samstags um 15.30 Uhr und enden sonntags nach dem Mittagessen gegen 13 Uhr. Die Kursgebühr liegt bei 25 Euro für die Alte-Kulturen-Seminare und 20 Euro für die Bibel-Seminare. Anmeldung unter 06321/8750 oder info@kloster-neustadt.de. Die Kulturfilmabende finden immer sonntags um 18.15 Uhr statt (Eintritt: 5 Euro).

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