Neustadt Verwöhnprogramm für Ohr und Gaumen

Auch die noch rund zwei Wochen lang amtierende Andechser Bierfestkönigin Anita I. ist am Samstagabend unter den Besuchern von „Wein und Jazz“ im Hof des „Ältesten Hauses“ in der Gillergasse: Sie hat sich bei den Leisböhl-Winzern einen Portugieser Weißherbst vom Weinland Meckenheim geholt. „Verrat am Bierfest“, sei das aber deswegen nicht, sagt sie schnell und lacht: „Als Pfälzerin gehe ich einfach auch gern auf Weinfeste, ob mit oder ohne Krone.“ Die Nachfrage nach den Weinen, die vier Leisböhler-Winzer (Wein- und Sektgut Braun, Weingut Grundhof sowie die Weinländer Meckenheim und Königsbach) auf der 23 Hektar großen „Lage Leisböhl“ am Rande Haßlochs anbauen, ist groß. Jeder Gast kann sich mit seinem im Eintrittspreis enthaltenen Weinglas vier Proben holen. Damit beginnen die Gäste schon, sobald sich das Tor am frühen Abend öffnet, und: „Sie probieren alles einmal durch“, stellt Claudia Tenten vom Weinland Meckenheim schnell fest. Angesagt sind dabei zunächst Weißweine und Weißherbst. Michael Braun vom Meckenheimer Wein- und Sektgut Braun schenkt einen Weißburgunder aus. Der fruchtige „perfekte Frühlingswein“, als der er gern gepriesen wird, passt freilich auch zu einem so milden Sommerabend wie diesem. „Es ist gut Betrieb“, freut sich auch Iris Hoos vom Grundhof. Ihr halten die Besucher die Gläser zum Einschenken des feinherben Weißburgunders entgegen. Rotweine, das zeichnet sich ab, sind getreu dem Motto „Je später der Abend, desto dunkler der Wein“ mit dem Einbruch der Dämmerung stärker gefragt. Der Hof des Ältesten Hauses füllt sich zusehends. 250 Gäste tummeln sich auf dem historischen Gelände, „Wein und Jazz“ ist ausverkauft. Die Veranstaltung, gemeinsam organisiert vom Kulturverein Ältestes Haus, den Leisböhlern und der örtlichen Tourist-Information, sei aus dem Haßlocher Kulturkalender „nicht mehr wegzudenken“, betont Bürgermeister Lothar Lorch (CDU) bei der Begrüßung, und erhält dafür dicken Applaus. Oder sollte der doch eher den beiden charmanten jungen Damen an seiner Seite gezollt sein? Da stehen Andechser Bierfestkönigin Anita I. und Julia I., Weinprinzessin der Verbandsgemeinde Deidesheim. Ab 19 Uhr ist dann auch Musik angesagt. Gepflegte Klassiker mit dem „Frankfurt Jazz Trio“ und Neustadterin Nicole Metzger, eine der besten deutschen Jazz-Sängerinnen, stehen auf dem Plan. Die Musiker scheint es in den Fingern zu jucken: Thomas Cremer am Schlagzeug, Thilo Wagner am Piano und Jean-Philippe Wadle am Bass beginnen schon 20 Minuten eher mit einem Swing. Und dann steht endlich auch sie auf der Bühne: Nicole Metzger. „Haben Sie heute schon geküsst?“, fragt sie strahlend ins Publikum, und hat die Sympathien schon auf ihrer Seite, bevor sie mit „Sugar“ von Stanley Turrentine wieder einmal ihre Wandlungsfähigkeit und Stimmgewalt zeigt. Dem Abend angemessen, haucht sie später auch eine „Summer Samba“ ins Mikrofon und begeistert mit Scatgesang, dem Singen von Silben ohne Bedeutung. Wer statt auf die Sängerin zum Himmel schaut, sieht indessen dunkle Wolken heraufziehen, die fast das Dach des Ältesten Hauses zu berühren scheinen. Mit Songs wie „Some-where over the Rainbow“ und „Route 66“ folgen dennoch weitere Klassiker. Dann beginnt es zu tröpfeln, Regenschirme werden aufgespannt und wippen lustig im Takt. Doch der Regen hört bald wieder auf, und das Kommen und Gehen am Weinprobierstand setzt wieder ein. Wer mag, lauscht vor der Bühne nur der Musik, wer sich unterhalten will, tut das meist eher zur Gillergasse hin. Gäste und Veranstalter sind zufrieden. „Das Fest ist fast schon ein Selbstläufer“, meint Annika Weiss von der Tourist-Information. Inzwischen zucken Blitze am Himmel, es beginnt erneut zu regnen. Und diesmal hört es nicht auf. Viele Besucher machen sich jetzt auf den Heimweg, einige flüchten unters Dach. Während nun das Wasser gleichtönig vom Himmel strömt, singt Nicole Metzger mit dem Trio um 22 Uhr das letzte Lied an diesem Abend: George Gershwins „Summertime“.

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