Neustadt Rad – Laufen – Rad

Schnell müssen die Mechaniker des Teams Rosberg in einem DTM-Rennen sein. Nur noch acht statt wie bisher 15 dürfen an den Boxen
Schnell müssen die Mechaniker des Teams Rosberg in einem DTM-Rennen sein. Nur noch acht statt wie bisher 15 dürfen an den Boxen die Reifen wechseln, wie hier am Auto von Jamie Green auf dem Hockenheimring.

«Neustadt.» Das Deutsche Tourenwagen-Masters (DTM) ist im Umbruch. Vor der neuen Saison wurde an vielen Stellschrauben gedreht, damit die Attraktivität steigt. Für die Fahrer heißt das, dass sie mehr gefordert sind. Die Reifen dürfen nicht mehr vorgeheizt werden. Wegen des Funkverbots kann ihnen die Strategie nur noch per Boxentafel mitgeteilt werden. Doch nicht nur auf der Piste gab’s Veränderungen, sondern auch an den Boxen.

Um die Budgets der drei beteiligten Hersteller Audi, BMW und Mercedes zu limitieren, wurde auch die Anzahl der Mitarbeiter begrenzt. „Als Team dürfen wir nur noch 14 Mann zur Rennstrecke bringen“, sagt Arno Zensen, Chef des Neustadter Teams Rosberg. Er sowie Francesco Nenci, der Technische Leiter, und Teammanager Kimmo Liimatainen zählen nicht zu diesem Kontingent. Die Arbeit ist jedoch nicht dramatisch weniger geworden. Im Gegenteil. „Was die Mechaniker momentan leisten, ist ungeheuerlich“, sagte Ex-Formel-1-Fahrer Timo Glock am Ende des ersten Rennwochenendes in Hockenheim. „Sie arbeiten absolut am Limit.“ Um die 18 neu entwickelten Rennautos für das erste Rennen fertig zu bekommen, wurden bis zum Schluss Extraschichten geschoben. Auch an der Rennstrecke ist die Arbeit nicht weniger geworden. Vor allem bei den Rennen ist die Belastung gestiegen, weil den obligatorischen Reifenwechsel nur noch acht statt 15 Mechaniker vornehmen dürfen. „Auf dem einzelnen Mechaniker liegt noch mehr Verantwortung“, sagt Zensen, „zudem ist die körperliche Anstrengung gewachsen.“ Denn während in der Vergangenheit jeweils drei Mechaniker nur ein Rad gewechselt haben, müssen sie jetzt auch noch einen Ortswechsel vornehmen. Von der Vorder- zur Hinterachse. Rad, Laufen, Rad – das ist der neue Ablauf. „Die Belastung ist höher“, weiß Rosberg-Chefmechaniker Armin Joerß. „Nicht am einzelnen Rad, sondern weil man sich bewegen muss.“ Für diese Beweglichkeit ist beim Team Rosberg seit einigen Jahren Sven Helferich verantwortlich. Der Fitness- und Mentaltrainer hat für jeden Mechaniker einen eigenen Trainingsplan erstellt. Dafür dürfen die Mitarbeiter sogar während der Arbeitszeit im Rosberg-eigenen Fitnessstudio üben. Vor dieser Saison wurden die Pläne abgeändert. „Durch den neuen Ablauf ist weniger Kraft, mehr Schnelligkeit gefragt“, sagt Helferich. Wobei die Oberschenkel immer noch speziell trainiert werden. Vor allem bei Armin Joerß. Der 1,90 Meter große Mechaniker muss sich klein machen, wenn er den Schlagschrauber schnell und perfekt auf die Radmutter setzen will. Da tut sich sein Pendant Michael Grenze mit nur 1,72 Meter Körpergröße leichter. Im Gegensatz zur Formel 1 mit den freistehenden Rädern haben die Mechaniker in der DTM wegen der Karosserien mit beengten Platzverhältnissen zu tun. Dies macht die Arbeit nicht nur anstrengender. „Wir kicken das Rad mit dem Bein an, um es mit Schwung in den Radkasten zu hämmern“, beschreibt Joerß den Ablauf. Deshalb muss die Koordination zwischen Schrauber, Stecker und Fänger exakt ablaufen. Natürlich werden diese Reifenwechsel trainiert. Täglich mehrmals. Bis zu 200-mal in der Woche. Dazu hat das Rosberg-Team extra ein Übungsauto gebaut. Doch mittlerweile ist das Training mit „Marianne“, wie die Mechaniker das Fahrzeug liebevoll nennen, nicht mehr so beliebt. „Früher haben wir 20 Wechsel am Stück absolviert“, erzählt Joerß, „jetzt müssen wir nach acht bis zehn eine Pause einlegen, weil wir völlig fertig sind.“ Doch der Erfolg bleibt nicht aus: Zum DTM-Saisonauftakt in Hockenheim glänzte die Rosberg-Truppe mit dem viertschnellsten Radwechsel. 7,954 Sekunden. „Alles unter acht Sekunden ist überragend“, lobt Chef Zensen seine Männer. Für Coach Helferich ist das Ergebnis noch nicht gut genug. Er will mehr. Zum einen hat er den von Reifenlieferant Hankook ausgerufenen Wettbewerb im Blick, bei dem die beste Boxencrew am Saisonende einen Preis erhält. Zum anderen denkt er an den unmittelbaren Effekt. „Unser Ziel ist es, dass wir beim Pitstop eine bis eineinhalb Sekunden rausholen“, fordert er, „dann haben unsere Fahrer ein richtig gutes Polster.“ Oder einen satten Vorsprung. Dann sind die Strapazen bei den Mechanikern schnell vergessen.

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