Neustadt Nicht konfliktscheu

Christian Gruber, der Mitte März seinen Abschied als Pressesprecher vom 1. FC Kaiserslautern erklärt hat, ist auf den ersten Blick ein Mensch mit Widersprüchen. Kohlenpottler und Weinliebhaber, ehrlicher Pressesprecher und maulender Fußballfan, eckiger Verteidiger und geradlinige Führungskraft. Als wir ihn mittags um zwölf in der Freinsheimer Innenstadt nahe seines Zuhauses treffen, will der 43-Jährige nicht etwa zu Mittag essen, sondern ein ordentliches Eis.

Trotz der kleinen Kontraste: Stefan Kuntz, der FCK-Vorstandsvorsitzende, war nicht wahnsinnig glücklich über die Entscheidung seines Medienstrategen und Chefkommunikators. Das wurde zwar nicht ganz so transparent kommuniziert, ist aber Fakt. Es war ja auch Kuntz selbst, der Gruber 2008 beim VfL Bochum abgeworben hatte. „Stefan hat mir damals mehrere Angebote gemacht“, sagt Gruber rückblickend. Der FCK spielte damals wie heute in der Zweiten Liga. Ab 1. Januar 2009 war Gruber – charakterlich der Inbegriff des ehrlichen „Ruhrpottlers“ – plötzlich Pfälzer. Äußerlich hat er sich das bisher nicht anmerken lasse, er spricht auch kein Pfälzisch. Freilich steht der sportlich-elegant gekleidete Liebhaber klassischer Musik auf guten pfälzischen Wein und auf die pfälzische Seele. Inzwischen kann er sich sogar vorstellen, eines Tages eine kleine Weinbar in Freinsheim zu eröffnen. Wenn er am späteren Abend mit Kopflampe durch die heimische Reblandschaft joggt, begleitet ihn nicht etwa der Klassiker „You’ll never walk alone“, sondern klassische Musik, aber auch mal Jazz der 20er und 30er Jahre. Oder ein Hörbuch. Daheim liest er zum Beispiel James Joyce. Gerne verabreden sich seine Frau und er mit Freunden in Gimmeldingen zum gemütlichen Essen. „Quality Time“, nennt er diese Stunden, in denen der Feinsinn über das knallharte Fußballgeschäft regiert. Aber: Beim Hobbykick ist er selbst der hölzerne Verteidiger. Für seine Gegenspieler gibt es keine Quality Time, wie er angesichts des lädierten Knies eines FCK-Vorstandsmitglieds einräumen musste. Beim Fußballkonsum bevorzugt er den Stehplatz. „Gerne auch maulend in der Kurve“, wie er zugibt. Fußball im Fernsehen? „Das finde ich total langweilig. Auch wenn das unsere Partner nicht gern hören.“ Szenenwechsel: Betzenberg. Hier, im Fritz-Walter-Stadion, war der Arbeitsplatz von Christian Gruber, hier beherrschte er die Kommunikation auf allen Ebenen, baute eine Abteilung auf, die heute fünf Festangestellte, vier freie Kräfte und zwei Praktikanten beschäftigt. Vor allem im Online-Bereich ging der FCK in Grubers Amtszeit ganz neue Wege. „Wenn man für den FCK arbeitet, dann muss man dafür brennen“, so sein Arbeitsethos. Sein Prinzip: „Wer in der Kommunikation arbeitet, der muss auch kommunizieren.“ 181 Telefonate an einem Tag hat er in Spitzenzeiten geführt. Fluch und Segen, denn: Auch das Stadionerlebnis der Fans verändert sich durch das Smartphone. Warum verfolgen Zehntausende Nachrichten übers Spiel auf dem Telefon, wenn sie es live vor Augen haben? Eine Frage, die auch Gruber beschäftigt. Journalisten, die in den vergangenen Jahren mit ihm zu tun hatten, sprechen von einem „absoluten Profi“. Er sei 24 Stunden am Tag erreichbar gewesen. Umgekehrt sagt Gruber: „Ich wäre kein guter Pressesprecher gewesen, wenn ich nicht abends gewusst hätte, was am nächsten Morgen über den FCK in der Zeitung steht.“ Im Branchenmagazin „Pressesprecher“ hat er 2011 einen beachtlichen Diskurs über die Frage veröffentlicht, was Kommunikatoren vom Fußball lernen können. Kurz gesagt: Der studierte Rechtswissenschaftler und Germanist aus Bochum hat sich in der Unternehmenskommunikation einen Namen gemacht. Er hat die Marke 1. FCK genau analysiert und ein Stück weit positioniert. Sie ist nach Grubers Meinung zurzeit sehr mit dem Namen Kuntz verknüpft. Aber: Grundsätzlich müsse der Verein immer über allem stehen. Für diese Einstellung mögen ihn auch die Fans. Gerade aufgrund seiner strategischen Fähigkeiten wurden Headhunter auf Gruber aufmerksam. Eines seiner Markenzeichen heißt: „nicht konfliktscheu“. Er selbst beschreibt sich als „hart in der Sache, aber fair im Umgang“. Fast unglaublich erscheint angesichts der vielgestaltigen und schnellen Prozesse im Profifußball sein oberster Grundsatz: „Nie lügen“. Diesen habe er immer eingehalten. Auch in den schwärzesten Stunden seiner Tätigkeit beim FCK, als Marco Kurz im Frühjahr 2012 gehen musste. Sowohl mit ihm als auch mit Ex-Verteidiger Martin Amedick ist Gruber noch freundschaftlich verbunden. Ohnehin bewundert er die Profifußballer: „Das sind elf Prinzen, energiegeladene Highperformer. Das ist Leistungssport.“ Nach zwölf Jahren im Fußballmetier wechselt Gruber, der neben dem FCK vor allem Fan seines Heimatvereins VfL Bochum ist, nun in eine Branche, die indirekt mit diesem Leistungssport zu tun hat: Zum Sportwettenanbieter Tipico, der seinen Sitz auf Malta und in Oliver Kahn sein Werbegesicht hat. Gruber soll einen Geschäftsführerposten mit Sitz in Frankfurt übernehmen. Sportwetten? „Ja, ich wollte die Chance nutzen, noch einmal was Neues zu machen“, sagte Gruber schon vor zwei Wochen. Gibt aber zu, selbst noch nie eine Wette platziert zu haben.

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