Neustadt Nauszus und nunnerzus

Neustadt. Viele haben ihn besucht, den „Guggemamol-Abend“ mit Arnim Töpel, zu dem der Kulturverein Wespennest für Donnerstag ins Konfetti geladen hatte. Und alle waren begeistert, applaudierten dem Künstler, der seine Gedanken nicht nur, aber vor allem in herrlichem Kurpfälzisch unters Volk bringt.

Ganz nah dran ist der Besucher im „Konfetti“. Jede Miene, jede Geste und sogar jedes Zwinkern des Künstlers kann er sehen. Und da gibt es bei Töpel eine Menge zu schauen, denn er setzt die Körpersprache bewusst ein, unterstreicht die Aussage seiner Texte oder führt sie ad absurdum. Dabei wirkt der Kabarettist in seinem dunklen Outfit sehr seriös. Doch der Schalk blitzt von Anfang an hervor. Mit den Fingern schnalzend gibt Töpel dann den Rhythmus des Blues vor. Und er singt von Menschen, die sich unendlich Gedanken machen, die richten, obwohl sie selbst keine Kritik vertragen, die nur die Fehler der anderen, aber nicht die eigenen sehen – dabei geht die Welt bald unter, sie wird von „den Märkten“ angegriffen: „Ahoi, hier weht der Blues.“ Der Blues bestimmt den ganzen Abend, der unter dem Motto „Nur für kurze Zeit“ steht; ansonsten aber gibt es – im Unterschied zu seinen bisherigen Programmen – keinen roten Faden. Töpel erzählt, singt Lustiges und Tiefsinniges, und fast immer weht ein Hauch von Herbst, von Vergänglichkeit durch den Raum. Wunderbar rezitiert er ein Gedicht von Hermann Sinsheimer, eine herbstliche Hommage auf die Pfalz. Die bunten Wälder, die Früchte machten die positive Seite des Herbstes aus, beschreibt Töpel. Dabei stehe er doch eingeklemmt zwischen Sommer und Winter, die beide so dominant seien. Aber natürlich geht es dem Kabarettisten nicht nur um die Jahreszeit, sondern auch um den Herbst des Lebens. „Haben Sie schon einmal ans Aufhören gedacht“, habe ihn einmal ein Student in einem Interview gefragt. „Ja, bis eben“, habe er geantwortet. Töpel kritisiert den Jugendwahn, „wo mangelnde Lebenserfahrung eine entscheidende Qualifikation ist“. Töpel schaut kritisch auf seine Umwelt, auf die Gesellschaft. Doch anders als viele Kollegen hebt er nicht den moralischen Zeigefinger. Der Walldorfer ist einfach ein augenzwinkernder Berichterstatter. Seine Überlegungen begleitet er auf dem Keyboard, das er brillant spielt, oder auf dem Bass, den er einfach zupft. Da spricht er von den gestörten Beziehungen in „dieser Single-Welt“, von familiären Strukturen, die sich total verändert haben, da könne schon mal der Enkel fünf Jahre älter sein als die Oma, von den Entbindungen, um die heute ein riesiger Bohei gemacht werde, während die Altvorderen ihr Kind auf dem Feld bekommen hätten. Auch die Wichtigtuer, die nicht nur im Bus immer vorne sitzen, sind ihm ein Dorn im Auge. Ein fabelhaftes Lied hat er auf die Pseudo-Akademisierung geschrieben, auf die vielen Masters, die heute an den Unis abgelegt werden. „Master uf des und sell, Master uf dunkel und hell, uf dabbisch und bleed, und wer ist de Master uf Ferz?“ Zwischen seinen oft in breitem Kurpfälzisch gesungenen Liedern liest der Kabarettist Passagen aus seinem Buch „Schorle-Peda“ vor. Das handelt vom Kommissar Günda aus Klickerbach und seinem Hochdeutsch parlierenden Assistenten. Da sind nicht nur die Besonderheiten des Dialekts meisterhaft herausgearbeitet, sondern auch die Eigenheiten der Menschen und ihre Denke. „Ou, de anner“, hört der Assistent mehrfach auf der Straße und beginnt sich tiefschürfende Gedanken über Herkunft und Bedeutung dieses Kurzsatzes zu machen. Die Sprache, meint Töpel bilanzierend, sei „ein Wegweiser auf uns“ und deswegen plädiere er dafür, dass das Navi Dialekt spreche: „vorzus, nauszus, nuffzus oder nunnerzus“. Mit einem Liebeslied – natürlich in Mundart gesungen – verabschiedet sich Arnim Töpel. Der starke Applaus hallt noch lange nach. (Foto: lm)

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