Neustadt Mystische Klänge in der Osternacht

Neustadt-Hambach. Geistliche Chormusik aus Russland ist ein Genre, das bei empfänglichen Menschen eine ganz besonders tiefe Wirkung erzeugt. Das bewies auch das Konzert des Heidelberger Motettenchors, der am Sonntag unter seinem Leiter Hans Jochen Braunstein in der Hambacher Pauluskirche Hambach ein Passionsprogramm mit Werken von Tschaikowsky, Tschesnokow, Gretschaninow und Schnittke sang.

Orthodoxe Kirchenmusik ist eine Sache der inneren Einkehr, des meditierenden Erlebens. Und man braucht einen Chor, der mit Klangschönheit ebendies zu füllen weiß. Bestens vorbereitet präsentierte sich der Motettenchor. Da begeisterte zunächst einmal die herrliche Pianissimo-Kultur, die leise schwebenden Harmonien. Bestes Gespür für das weiträumige Entfalten der Klänge zeigte der Chor in herrlich gerundeten, weich flutenden Gesängen. Tief versunken in die Klanggeheimnisse dieser geistlichen Musik, waren es nicht schwere Weihrauchschwaden, die hierbei schwebten, sondern tiefes religiöses Gefühl und Gespür für erlesene Klangwirkungen. Hans Jochen Braunstein aktivierte reiche dynamische und klangliche Abstufungen, von den heiligen Schaudern des Piano-Gesangs bis zu den machtvoll sonoren, erhebenden Fortissimo-Klängen. Mit stark bewegtem, agilem Dirigat brachte er sehr viel Leben in diese Musik: erhebende Klangpracht und begeisterten Jubel, der vor allem die Gesänge des Gotteslobs reich erfüllte. Ausschnitte aus Peter Tschaikowskys „Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostomos“ eröffneten das Konzert. Wundersam zart abgetönte Klangvisionen erlebte man da, ein tiefes Hineinversenken der Sänger in die Geheimnisse dieser Harmonien. Eine ausgefeilte Klangdramaturgie ließ Braunstein diesen Werken angedeihen: mit fein abschwellenden, dann wieder langsam aufglühenden Klängen wurde eine heilige Aura erzeugt. „Lass mein Gebet wie Weihrauch aufsteigen zu dir“, hieß es im gleichnamigen Gesang des Spätromantikers Pawel Tschesnokow. Mystisch flutende Gebete und ruhevolle Sehnsucht waren dabei in erlesene Klangwirkung eingebettet. Das war ein Singen und Gestalten frei von Kitsch, vielmehr konzentriert auf die klanglichen Wunder dieser Musik. Tiefe Ruhe und Mystik durchflutete Alexander Gretschaninows „Siehe, der Bräutigam kommt“ aus „Die Karwoche“. Geheimnisvolle Klangwolken, wundersam verglimmende Pianissimi, weiträumig sich öffnende Klänge prägten diese Gesänge. Hymnisch strahlende Klangkraft erhielten diese geistlichen Werke, auf der anderen Seite kamen die Harmonien wie auf Wolken herangeschwebt, Eine Sangeskunst, die Würde und Demut, feierlichen Ernst und Mystik stilsicher vereint. Klanglichen Genuss boten immer wieder die wie auf Watte gepolsterten Pianissimo-Harmonien, die wie von einem milchigen Gloriolenschimmer überkrönt waren. Ganz im Stil der russisch-orthodoxen Kirchenmusik schrieb Alfred Schnittke 1984 sein Konzert für Chor, woraus zum Abschluss das großangelegte „O Herrscher“ zu hören war: ein hochanspruchsvolles Werk, bei welchem der Motettenchor mitunter schon mal an seine Grenzen stieß, um die kühnen Dissonanzen rein zu gestalten. Und dennoch wurde dies sehr eindrucksvoll umgesetzt, erhielten die visionäre leuchtenden Farben und Harmonien, die sich bis zur Zwölfstimmigkeit aufwölben, expressive Kraft. In reichen Schattierungen wurden die Klänge und kühnen harmonischen Rückungen aufgefächert. Eine gute russische Diktion hatte der Chor dabei durchweg. In fast trancehaften Zustand brachten die Chorsänger die Wiederholungen und das vielstimmige Gewebe. Langen Beifall gab es am Ende – und das völlig zu Recht.

x