Neustadt Mr. Norisring, der Spätbremser

Neustadt. Nach drei Siegen führt Jamie Green das Klassement in der DTM an. Nun geht′s am Wochenende an den Norisring. Auf dem Straßenkurs in Nürnberg hat der Pilot des Neustadter Teams Rosberg schon viermal gewonnen. Allerdings schleppt er nun ein Handicap in seinem RS5 herum: viel Gewicht. Durch seine Erfolge muss er 1137,5 Kilogramm mit sich schleppen. Seine Markenkollegen Mike Rockenfeller und Edoardo Mortara haben′s mit 1140 Kilos noch ein wenig schwerer. Über seine Chancen äußert sich der 33-jährige Brite im Interview mit der RHEINPFALZ.

Herr Green, Sie kommen als Tabellenführer nach Nürnberg, Wie groß ist denn Ihre Vorfreude auf den Norisring?

Ganz ehrlich, ich weiß nicht so recht, was mich da erwartet. Der Norisring ist ganz anders als die anderen Rennstrecken. Die Anforderungen an das Auto sind ganz andere. Und es ist sehr schwer zu sagen, wie schlagkräftig wir sein werden, weil wir durch unsere Erfolge in den vergangenen Rennen unheimlich viel Gewicht an Bord haben. Ich bin mir nicht sicher, was ich erwarten kann, obwohl ich in den vergangenen Jahren dort sehr erfolgreich war. Im vergangenen Jahr war ich Zweiter. Wir können wieder vorne sein, aber ich weiß nicht wirklich, wie stark wir sein werden. Sie werden auch „Mister Norisring“ genannt ... Ja, darauf bin ich stolz. Warum liegt Ihnen diese Strecke? Ein Grund dafür ist sicher, dass ich ein absoluter Spätbremser bin. Das hilft auf einer Strecke mit nur zwei Bremszonen und einer Schikane. Auf dieser Strecke muss man wegen der Mauern auch sehr akkurat fahren. Man muss sehr knapp an den Mauern vorbei, darf sie aber nicht berühren. Bei einem Rennen über 80, 90 Runden, so wie wir dies in der Vergangenheit hatten, ist das entscheidend. Überfordern Sie als Spätbremser nicht Ihre Bremsen, vor allem zum Ende des Rennens hin? Nein, das kommt auch darauf an, ob man anderen Fahrzeugen folgt oder ob man vorneweg fahren kann. Bei freier Fahrt, und wenn das Auto absolut in Ordnung ist, dann bekommen die Bremsen genügend Kühlluft. Dann läuft alles problemlos. Da ist die Technik entscheidender als der Einfluss des Fahrers. Was ist das für ein Gefühl, Tabellenführer zu sein? Es ist sehr schön, dass ich jetzt zeigen kann, was ich kann. Die vergangenen beiden Jahre waren doch sehr schwer für mich. Noch schöner wäre es natürlich, wenn ich nach dem letzten Rennen noch Tabellenführer wäre, denn dann wäre ich der Champion. Deshalb werde ich auf dem Boden und sehr fokussiert bleiben. Aber zugegeben: Ich befinde mich momentan in einer guten Position. Wie erklären Sie sich Ihre Überlegenheit? Das Auto passt in diesem Jahr besonders gut zu meiner Art zu fahren. Ich war ja schon in der vergangenen Saison der beste Audi-Fahrer im Qualifying. Nun wurde das Setup über den Winter weiterentwickelt. Obwohl das Auto noch sehr ähnlich zu dem im vergangenen Jahr ist, ist es den Jungs bei Audi Sport und bei meinem Rosberg-Team durch harte Arbeit gelungen, mit kleinen Änderungen das Auto schneller zu machen. Ist der RS5 dieses Jahr deutlich anders zu fahren? Es sind Kleinigkeiten, die geändert wurden. Diese haben für mich aber schon Auswirkungen. Ich sage mal: Das Auto reagiert genau so, wie ich es will. Deshalb kann ich auch Rennen gewinnen. Es sieht so aus, als seien Sie in derselben Situation wie Marco Wittmann in der vergangenen Saison und Mike Rockenfeller im Jahr davor. Sie können machen, was Sie wollen, Sie sind immer erfolgreich. Ich hoffe, dass für mich am Ende dasselbe herauskommt. Beide waren jeweils Meister. In Hockenheim und in der Lausitz kam kurz vor Rennende das Safetycar raus. Im vergangenen Jahr hatten Sie bei ähnlichen Aktionen mehrmals Pech. Haben Sie um den Sieg gefürchtet? Dreimal kam in den letzten fünf Rennen das Safetycar raus. Und jedes Mal lag ich in Führung. Seinen Vorsprung zu verlieren, war im letzten Jahr dramatischer. Wegen der unterschiedlichen Performance der Reifen war man mit den Option und den Standards auf unterschiedlichen Strategien unterwegs. Und wenn dann das Safetycar kam, war der Vorsprung durch die Strategie verloren. Das ist mir mehrmals passiert. Dieses Jahr gibt es nur noch einen Reifentyp ... Genau. Dadurch ist das Rennen dichter. Man verliert hinter dem Safetycar einfach nicht mehr so viel Zeit. Weil am Lausitzring die Autos hinter mir dieselben Reifen hatten, war es nicht so dramatisch. Beim Saisonfinale in Hockenheim hatte ich die härteren Standards, die Fahrzeuge hinter mir alle die weichen Option. Die waren pro Runde zwei Sekunden schneller. Da hatte ich keine Chance, vorne zu bleiben. Wenn jetzt das Rennen neu gestartet wird, dann ist es ein fairer Kampf. Beim Restart in der Lausitz konnten Sie Ihren Audi-Kollegen sehr schnell davonfahren. Haben Sie dafür eine Erklärung? Ich habe einfach versucht, innerhalb von drei Runden mehr als eine Sekunde Vorsprung herauszufahren. Wenn dann DRS wieder benutzt werden darf, dann ist man aus dem DRS-Fenster draußen. Und wenn die Fahrzeuge hinter mir diesen Vorteil nicht haben, dann kann ich sie kontrollieren. BMW und Mercedes beklagen sich, dass sie den Reifen nicht verstehen. Audi hat keine Probleme. Ist das Handling des Reifens wirklich so schwierig? Es gibt viele Faktoren, die einen Einfluss auf die Performance des Reifens haben. Möglicherweise verhaspeln sie sich dabei ein wenig. Aber es ist für alle – Fahrer und Teams – eine große Herausforderung, aus den Reifen das Maximum herauszuholen. Das ist aber nichts Neues. Dieses Phänomen begleitet mich schon meine ganze Karriere. Manchmal bekommt man diese Herausforderung hin, manchmal nicht. Wenn man das nicht hinbekommt, dann ist man im Qualifying schlecht. Und findet sich im Rennen im kämpfenden Feld wieder. Sind Sie nach zehn Jahren in der DTM entspannter? Ich glaube nicht, dass ich mich verändert habe. Aber ich habe einfach mehr Erfahrung – und das hilft. Grundsätzlich gilt, dass man, je erfahrener man ist, auch deutlich ruhiger ist. Man weiß einfach, wie man in speziellen Situationen handeln muss. Grundsätzlich ist aber entscheidender, dass man immer wieder etwas Neues macht. Aus diesem Grund bin ich auch zu Audi gewechselt, um etwas Neues zu erleben. In der Tabelle folgen Ihnen zwei Audi-Markenkollegen. Macht dies Ihre Aufgabe leichter oder schwerer? Die Markenkollegen hinter mir haben dasselbe Auto wie ich, deshalb haben sie auch dieselbe Möglichkeiten. Und deshalb macht es keinen Unterschied, es ist immer hart. Der Wettbewerb in der DTM findet auf einem so hohen Niveau statt.

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