Neustadt Lokalmatadorin überzeugt das Publikum

Neustadt. Mit einer großen Überraschung endete das Wettbewerbskonzert der Frühlingsakademie für Streicher am Dienstagabend im Festsaal des GDA-Wohnstifts: Zwar ging die 18-jährige Neustadter Geigerin Leonie Flaksman bei der Preisvergabe durch die Jury leer aus, freute sich aber am Ende des zweieinhalbstündigen Konzertmarathons über den Publikumspreis. Ganz oben auf dem Siegertreppchen landeten die 21-jährige Hamburger Geigerin Johanna Röhrig und der 23-jährige, in Trossingen studierende Bratschist Samuel Sauter.

Die undankbare Rolle der musikalischen Eröffnung des spannungsvollen Abends übernahm die Geigerin Elisabeth Horn mit der berühmten „Tzigane“ von Maurice Ravel. Neben dem Bravourstück „Introduktion und Rondo capriccioso“ von Camille Saint-Saëns, das an diesem Abend gleich dreimal zu Gehör gebracht wurde, zählt dieses Stück zur wohl meistgespielten Nummer in der zwölfjährigen Geschichte des Neustadter Meisterkurses. Hut ab vor der jungen Lübeckerin: Das Lampenfieber merkte man ihr kaum an, wie auch ihre Mitstreiter trotz des zweifellos vorhandenen Nervenflatterns eine ungewöhnlich hohe Contenance unter Beweis stellten - obgleich fast alle Wettbewerbsteilnehmer auswendig spielten, trübte keine einzige Panne das Hörvergnügen. Nach ihrem herrlich melancholischen Geigengesang mit dem langsamen Satz aus Ysaÿes zweiter Solosonate betrat mit der Koreanerin Ju Sang Eun eine bereits im Vorfeld als Favoritin gehandelte Konkurrentin die Bühne. Stichwort „Konkurrenz“: Vielleicht sollte man diesen Begriff meiden, denn damit wird man dem eigentlichen Sinn und Zweck der Frühlingsakademie nicht gerecht. Im erster Linie handelt es sich bei dieser Veranstaltung nämlich um einen Kurs mit Workshop-Charakter, bei dem nicht das Siegen, sondern das Lernen im Vordergrund steht. Darin sind sich auch die Kursteilnehmer einig: „Wichtig ist es, dass ich mit meiner Leistung selbst zufrieden bin, dass ich das Gefühl bekomme, mich verbessert zu haben“, erklärt zum Beispiel der Bratschist David Jordan, der für seine herrlich klangvolle Brahms- und Hindemith-Interpretationen mit einem zweiten Preis belohnt wurde. Dennoch: Ein Wettbewerb ist und bleibt ein Wettbewerb. Und so kam trotz der friedlichen und kameradschaftlichen Stimmung im Verlauf des Abends doch noch ein wenig „Deutschland sucht den Superstar“-Atmosphäre auf. Technisch perfekt, fast von militärischer Strenge das Spiel von Ju Sang Eun, die ohne mit der Wimper zu zucken einen makellosen Saint-Saëns servierte. Der direkte Vergleich der Koreanerin mit dem 22-jährigen Schweizer Anik Stucki, der gleichfalls das besagte „Rondo capriccioso“ auflegte, sollte folgen, und man wundert sich über die großen interpretatorischen Spielräume, die sich aufgrund der unterschiedlichen Temperamente auftun. Anik Stucki überzeugte mit seiner natürlichen, geradezu musikantischen Artikulation, seiner schlafwandlerisch sicheren Intonation, seinem himmlisch-beseelten Legato und seinem aufregend großen musikalischen Gestaltungsvermögen. Ist es ein Zufall, dass er wie bereits vor zwei Jahren erneut den Förderpreis entgegennehmen durfte? Dass sich die Jury im Fach Geige letztlich für Johanna Röhrig entschied, verwunderte nicht wirklich. Bereits bei den Studentenkonzerten erstaunte die ab dem kommenden Semester in Lübeck studierende Nachwuchsmusikerin mittels ihrer unglaublich schlackenfreien Geigenartistik. Nach der Wiedergabe der sperrig-spröden Etüden-Studie „Les Furies“ aus der zweiten Ysaÿe-Solosonate präsentierte sie die wohl technisch schwierigste Nummer des Abends: Wieniawskis „Variationen über ein eigenes Thema“ ist eine würdige Fortsetzung der Paganini-Capricen – nur eben noch schwerer. Mit einer unglaublichen Sauberkeit artikuliert Röhrig technische Schmankerl wie das von Paganini erfundene mehrstimmige Spiel von gestrichener Melodie und begleitendem Pizzikato. Nach der Pause meldete sich die Bratsche zu Wort. Lediglich drei von 14 schafften es diesmal ins Wettbewerbskonzert, derweil ausnahmsweise gleich fünf Geiger um die Gunst von Publikum und Jury kämpften. Gleich einem Kuckucksei mischte sich unsere Neustadter Lokalmatadorin Leonie Flaksman unter die Bratschisten und schüttelte nach der feinnervigen Wiedergabe der ersten beiden Sätze aus der zweiten Solosonate von Ysaÿe einen pfiffig-süffisanten Saint-Saëns aus dem Handgelenk. Die erstaunliche musikalische Reife der frisch gebackenen Abiturientin wurde vom Auditorium, wie gesagt, mit dem Publikumspreis belohnt. Nach Leonie kam, sah und siegte Samuel Sauter mit der vielleicht aufregendsten Komposition des Abends. Ungemein kultiviert, von tänzerischer Eleganz erwies sich seine Interpretation eines Arrangements der „Romeo & Julia“-Suite von Prokofiew, mit der er sich gegenüber dem gleichermaßen klangschön aufspielenden Bratschisten David Jordan behauptete. Beide erhielten letztlich aber einen zweiten Preis – auf die Vergabe eines ersten wurde diesmal verzichtet. Keiner der drei Bratscher ging an diesem Abend übrigens leer aus, und so ging der Förderpreis für Viola an Muriel Weißmann in Anerkennung ihrer herrlich beseelten Vieuxtemps- und Reger-Darstellungen. Last but not least: Wir gratulieren Nargiza Alimova, der wunderbaren Pianistin und Seele der „Frühlingsakademie“, zum Geburtstag und hoffen auf ein Wiedersehen 2015.

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