Neustadt Liebe, Krankheit, Politik

Neustadt. Wie konnte das passieren? Diese Frage, die einen noch über 80 Jahre nach der Machtergreifung Hitlers und den anschließenden Gräueln umtreibt, durchzieht auch das Filmporträt des immer noch weithin unbekannten Hitler-Attentäters Georg Elser, das am 8. Juni im Neustadter Roxy-Kino läuft und sicher einer der Höhepunkte in der neuen Zwei-Monats-Staffel der Kunstfilmreihe „Arthouse“ ist.

Der schwäbische Tüftler und politisch ungebildete Handwerker war hellsichtiger als die Menschen in seinem Umfeld, die sich angesichts der zunehmenden Zivilisationsbrüche wegduckten oder mitmachten. Und wenn der schlicht „Elser“ betitelte Film die allmähliche Vergiftung der ländlichen Idylle zeigt, wird er in seinen besten Momenten zum berührenden Heimatdrama. Oft sind gut gemeinte Polit-Filme, in denen es um Recht und Gesetz gegen die Gewalt des Stärkeren geht, allzu zeigefingerhaft, um auch unterhaltsam zu sein. Diese Falle wird zwar auch in „Das Mädchen Hirut“ (18. Mai zwar ) nicht ganz vermieden. Dennoch überzeugt das authentische Justizdrama aus Äthiopien als spannendes Sittenbild des „Culture Clashs“ zwischen patriarchalischer Repression und Menschenrechten. Einem äthiopischen Schulmädchen droht die Todesstrafe, nachdem es seinen Vergewaltiger getötet hat, der es gemäß einer archaischen Tradition zur Ehe zwingen wollte. Hiruts Kampf um Gerechtigkeit änderte die Gesetzgebung des Landes. Das Drama war ebenso für den Auslandsoscar nominiert wie „Leviathan“ (22. Juni.), eine bibeldüstere Parabel über einen modernen russischen Hiob, der durch Korruption und Gewalt alles verliert. Auch in Russland wurde das bedrückende Epos mit höchsten Preisen bedacht, wegen der Darstellung bürgerlicher Rechtlosigkeit angesichts eines Kartells aus Staat, orthodoxer Kirche und Kriminellen aber auch von höchster Stelle angefeindet. Um die Durchsetzung eines Verfassungsrechts, dem Wahlrecht, geht es im aufwühlenden amerikanischen Historiendrama „Selma“ (11. Mai). Martin Luther King organisiert 1965 im gleichnamigen Südstaaten-Städtchen, wo nur zwei Prozent der schwarzen Bevölkerung wählen durften, eine Demonstration, die als „Bloody Sunday“ in die Geschichte einging – und die Bürgerrechtsbewegung letztlich zur Massenbewegung machte. Gab es wegen „Selma“ Ärger bei den Oscars, weil der Film, nur in zwei Kategorien nominiert, lediglich den Oscar für den Soundtrack bekam, herrschte dagegen Einstimmigkeit bei der Auszeichnung für Julianne Moore, die in „Still Alice“, der am kommenden Montag die neue „Arthouse“-Staffel eröffnet, eindringlich eine noch junge Alzheimerkranke verkörpert – und damit leider auch die Tendenz bestätigt, die Darstellung unheilbarer Gebrechen für den Oscar zu instrumentalisieren. Zwei neue französische Filme befassen sich statt mit Politik und Krankheit mit der Liebe, die indes, besonders wenn ein Mann zwischen zwei Frauen steht, auch ganz schön stresst. Das beweist etwa der Erotikkrimi „Das blaue Zimmer“ (15. Juni), eine bitterböse Simenon-Adaption, in der sich ein untreuer Ehemann wegen einer heißen Affäre rechtfertigen muss. Und in der Romanze „3 Herzen“(1. Juni) hat ein Mann die Qual der Wahl zwischen zwei aparten Schwestern, denen man ihren berühmten Stammbaum ansieht: Charlotte Gainsbourg, Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin, sowie Chiara Mastroianni, Tochter von Marcello Mastroianni und Catherine Deneuve – die ebenfalls mit dabei ist. Auch Kate Winslet bringt als „Die Gärtnerin von Versailles“ (29. Juni) die Herzen in Wallung. Die tapfere Gartenbauunternehmerin, die im Frankreich des 17. Jahrhunderts von Landschaftsarchitekt Le Nôtre als Gehilfin bei der Anlage des Versailler Parks engagiert wird, überstrahlt die aufgeputzten Hofdamen mit der mätzchenfreien No-Nonsense-Attitüde einer Frau, die lieber in der Erde wühlt als zierlich vor dem König zu knicksen. Regisseur Alan „Professor Snape“ Rickman wiederum, der sich die Rolle Ludwigs XIV. auf den Leib schrieb, verleiht dem gockelhaften Sonnenkönig melancholische Selbstironie: ein beziehungsreicher Kostümfilm, und ein hübsches Plädoyer für Paradiesgärten als Zuflucht vor den Zumutungen dieser Welt. Termine Die Filme der Kunstfilmreihe „Arthouse“ laufen jeweils montags um 17.30 und 20 Uhr im Neustadter Roxy-Kino. Am Pfingstmontag gibt es keinen „Arthouse“-Film

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