Neustadt Fein modellierter Streicherklang

Bemerkenswert professionell und selbstbewusst: das Speyerer Kammerorchester.
Bemerkenswert professionell und selbstbewusst: das Speyerer Kammerorchester.

«Neustadt.»„Idyllisches Böhmen“ – so lautet der Titel des aktuellen Programms, mit dem das Speyerer Kammerorchester unter Leitung von Matthias Metzger am Samstagabend in der Stiftkirche gastierte. Gleichwohl war rasch klar, dass sich hinter dem sanft säuselnden Motto drei Komponisten-Größen besagter Provenienz zu Ton und Klang meldeten, die sämtlich sattsam wegweisende Pfeile in Richtung Neuzeit abgefeuert hatten. Auch wenn das die vorgestellte Werkauswahl noch erst behutsam andeutete.

Die Spätromantiker Leoš Janácek, Antonin Dvorák sowie dessen Schüler und späterer Schwiegersohn Josef Suk zählen sämtlich zu jener Epoche, die im orchestralen Schaffen bevorzugt das groß ausgestattete sinfonische Ensemble bestückte. Und sich dennoch zuweilen ganz wunderbare Ausflüge in den reinen, kammermusikalisch inspirierten Streicherklang gestattete. Keiner der drei Genannten hat sein Heimatland Böhmen je verleugnet, sondern dessen oftmals leicht melancholischer Heiterkeit und melodienseliger Folklore, jenem musikantischen Ur-Ton der Eger-Auen, im eigenen Oeuvre nachdrücklich und sublimierend nachgespürt. Metzgers Werkauswahl knüpfte geschickt die Fäden. Stellte drei sämtlich im Zeitraum zwischen 1880 und 1892, also im noch donaumonarchisch verankerten Böhmen entstandene Kompositionen einander gegenüber. Frühzeit-Schöpfungen ihrer Meister sozusagen, ganz der tonalen Erdung gehorchend. Dies gilt sowohl für das „Idyll für Streicher“ von Janácek, der bekanntlich erst später, die Jahrtausendwende schon deutlich hinter sich, zu seinem zukunftsweisend originären Stil fand, als auch für die Es-Dur-Serenade op. 6, die Josef Suk noch ganz im Bannkreis Dvoráks als 18-Jähriger schuf. Und sowohl Janácek als auch Suk arbeiteten in den filigranen Strukturen des Streichquartetts, nicht zuletzt in den Adagio-Sätzen, und huldigten parallel dazu dem draufgängerischen Prachtklang der üppigen Besetzung – einer facettenreichen, sich in schier endloser Kreativschleife vervielfältigenden Melodienseligkeit. Zwischen diesen markanten Eckpunkten, einer knappe Momentaufnahme gleich, verströmte sich Dvoráks „Notturno“ H-Dur, op. 40, deren Kürze in keinem Verhältnis zu ihrer verschlungenen, metamorphosenreichen Werkgeschichte steht. Ein Aphorismus von tieflotender, weicher Verträumtheit. Irgendwie nicht von dieser Welt. Wie nun Matthias Metzger, Geigensolist und teils Primarius, teils Leiter verschiedener honoriger Ensembles, mit seinem Speyerer Klangkörper diese kosmische Vielfalt in Szene setzte, lag weit jenseits aller banalen „Idylle“. Der Vortrag fesselte, war von geradezu übergriffiger Wirkung. Technische Trittsicherheit, rhythmische Präzision, Flexible Dynamik – alles geschenkt. Dahinter steckte gute Schule, und man goutierte dergleichen eher am Rande und wie selbstverständlich. Was einen indes zwischen puren Genuss und gefühltem Atemstillstand im Spannungsmodus hielt, war diese wunderbar unaufgeregte, dabei so feingliedrig modellierende Gestaltung jeder einzelnen Phrase; eine Rhetorik, die mit Suggestivkraft auf ihrer musikalischen Botschaft beharrte. Und einlöste, was immer das jeweilige Werk an kostbaren Möglichkeiten in sich barg. Es waren die verschwebenden Klänge, etwa im Moderato, den Adagios bei Janácek; oder die emotionalen Wechselbäder im Allegro giocoso der Suk-Serenade, die das Ensemble ebenso nadelscharf artikulierend wie schmeichelnd lieblich, ohne kleinste Trübungen transportierte. Und nicht zuletzt das nachdenkliche Dvorák-Opus gelangte zu selten schöner Gesamtgestalt; schien geradezu mystisch, ganz sanft und stringent auf die pulsierende Mitte hinzublühen. Fazit: Der ebenso bedacht wie eindringlich obwaltende Matthias Metzger, der das von Diethard Laxa bestens auf Spur gebrachte Speyerer Kammerorchester seit 2016 leitet, präsentierte eine bemerkenswert professionell und selbstbewusst auftretendes Orchestergemeinschaft. Der man gerne jederzeit wieder im Konzertsaal begegnet. In der Stiftskirche musizierte das Ensemble unentgeltlich zugunsten des Bau- und Fördervereins. Dessen Vorsitzender Frank Sobirey hatte zu Beginn des Abends eine Spende seines Fördergremiums von 20.000 Euro an den Presbyteriums-Vorsitzenden der Stiftskirchengemeinde, Lutz Wiedmann, überreicht; Erlöse aus vergangenen Spendenaktionen, die der weiteren Restaurierung der Deckenmalereien zugutekommen.

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