Neustadt „Erst das Gehirn einschalten“

Der Polizeikommissar und die Lehrerin haben einen Auftrag: Samt dem gerade überreichten Handy rausgehen und – flirten! Hunderte von Mannheimer Fünft- und Sechstklässlern sind begeistert. Was ihre Begeisterung kurz darauf in ungeahnte Höhen treiben wird: Den „Flirt“ können sie live mitverfolgen. Denn über ein zweites Smartphone hat sich Erwin Markowsky in das andere eingehackt. Abhören ist angesagt. Schließlich will der Mitarbeiter des Neustadter Unternehmens 8com den Kids hautnah demonstrieren, welche Gefahren in der digitalen Welt lauern. Den ganzen Tag über wird Markowsky an diesem Donnerstag im großen Saal des Cinemaxx-Kinos in Mannheim Schüler verschiedener Jahrgangsstufen aufklären. Am Abend dann stehen die Eltern auf dem Programm. Erleichterung bei den Kindern: Der Informatikexperte verspricht, den Erwachsenen zu erklären, dass ein Internetverbot als Strafe nicht sinnvoll ist. Applaus! Durch praktische Beispiele und indem er sie einbezieht, kann sich Markowsky die Aufmerksamkeit seiner jungen Zuhörer sichern. Später, wenn die älteren Schüler dran sind, ist das Problem ein ganz anderes. „Viele glauben uns nicht, dass die Gefahren wirklich so groß sind“, weiß Sandra Schartner, neben Ehemann Götz Geschäftsführerin von 8com, aus Erfahrung. Daher sei es immer gut, wenn die Polizei dabei ist. Deren Beispiele aus dem wahren Leben würden selten angezweifelt. Am Donnerstag ist es Polizeikommissar Andreas Intze. Sein Sachgebiet bei der Mannheimer Polizei ist die Vorbeugung, die Arbeitsschwerpunkte lauten Gewalt, Digitale Medien und Sucht in Schulen. Dazu ist er mit Vorträgen dauerhaft präsent, die Schulungen durch 8com sieht er als „hervorragende Ergänzung“. Intze kennen alle: Immer wieder fragen Kinder im Kino bei ihm nach, wie sie sich verhalten sollen. Ein Mädchen zum Beispiel, weil in der Schule ein Foto von ihr geschossen und in Facebook gestellt wurde. „Dem Sekretariat Bescheid sagen mit einem schönen Gruß von mir“, gibt Intze die Marschrichtung vor. Und lobt: „Mich zu fragen, war genau richtig.“ Als Erwin Markowsky fragt, wer am Morgen zuhause schon im Internet gewesen sei, gehen fast alle Hände in die Höhe. Ebenso bei der Frage, wer denn in sozialen Netzwerken wie Facebook oder What’s App vertreten sei. Wie durch Zauberhand erscheinen plötzlich zig jener Verbindungen, die gerade im Saal 10 des Cinemaxx aktiv sind, auf der Kinoleinwand. Darunter „Claudia“, „Mama II“ und „Engel 07“. Die Handys der Zehn- bis Zwölfjährigen sind sozusagen identifiziert. „Immer das W-Lan ausschalten, wenn ihr das Haus verlasst“, so ein Tipp. Und die Ortungsdienste, „denn es soll doch nicht jeder wissen, dass ihr gerade den Unterricht schwänzt, oder?“ Dass die Sicherheit bei allem Spaß, den die digitale Welt bieten kann, nie vergessen werden darf, zeigt der Internetcrack mit Hilfe der Schülerinnen Niza und Melas. Niza erhält eine SMS von ihrer Freundin, obwohl diese ihr Handy nicht dabei hat. Merke: „Ihr könnt nicht mehr kontrollieren, von wem eine Nachricht kommt. Daher dürft ihr komischen Nachrichten, wie ein Treffen am späten Abend, nie vertrauen.“ Auch dass ein komplettes Löschen nicht wirklich hilft, macht Markowsky klar. Problemlos steigt er in das ausgediente Smartphone eines Freundes ein. In Photo- und What’s-App-Speicher, sogar in die persönlichen Daten. Was dabei auch an Peinlichkeiten zum Vorschein kommt, sorgt für beträchtliche Unruhe unter den Fünft- und Sechstklässlern. Drei besonders wichtige Gebote, um das Smartphone zu schützen, gibt ihnen der Neustadter daher mit auf den Weg: immer Updates machen, unbekannte Apps vor dem Laden bewerten/überprüfen, unerwartete Dateien nicht öffnen. Kurz gesagt: „Immer erst euer Gehirn einschalten, bevor ihr etwas tut.“ Auch Gefahren beim Chatten spart der Fachmann nichts aus. Selbst sexuelle Belästigung nicht, gibt es doch zu viele Fälle, in denen sogar jüngere Kinder betroffen waren. Wem das passiere, solle das sofort der Polizei melden. Damit es aber gar nicht erst soweit kommt, gibt es auch hier Grundregeln. Wie keine persönlichen Daten und Bilder schalten und sich nie allein mit Bekanntschaften aus dem Netz treffen. Oder die Linse der Webcam am eigenen Gerät blickdicht abkleben. Drastisches Beispiel aus dem echten Leben: 104 Rechner junger Mädchen, bei denen ein Hacker die Kamera aktiviert hatte ... Info —Alle Tipps von Erwin Markowsky für Kinder und Eltern gibt es unter der Adresse www.spardasurfsafe.de. —Das Neustadter Unternehmen 8com ist Spezialist für Internetsicherheit. Weltweit gehören Firmen und Kreditinstitute zu seinen Kunden. Dabei kann es auch um Wirtschaftsspionage gehen. Mehr zu diesem Thema lesen Sie morgen in der RHEINPFALZ am SONNTAG.

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