Neustadt Ein ganzes Orchester zu zweit

Neustadt-Haardt. Wer nicht das Glück hat, vor dem heimischen Sofa am wärmenden Kamin mal eben Profi-Musiker zum Privatkonzert begrüßen zu dürfen, der kann alternativ im Mandelring 69 vorbeischauen. Bei Familie Schmidt ist Verlass auf Wärme, heimelige Atmosphäre und – vor allem – hochwertige Klänge. So auch beim 200. Mandelring-Konzert mit Violinistin Erika Geldsetzer und Pianist Ian Fountain.

Edward Elgar, Sonate für Violine und Klavier, op. 8, mitten im Allegro: Erst ist da ein kraftvoller, energiestrotzender Einsatz der Violine. Das Klavier fügt sich zunächst als Partner, Unterstützer, dann beginnen die Instrumente, sich immer mehr in wohltuender Gleichberechtigung zu nähern. Nach wenigen Takten wird die Musik noch enger, dichter, intensiver, die Klänge reiben sich aneinander, bis es beinahe funkt. „Gelungenes Zusammenspiel“ würde die Situation sachlich schildern. „Wohltuende Innigkeit“ nähert sich dem Zuhör-Gefühl an, das so schwer zu beschreiben ist. Erika Geldsetzer und Ian Fountain reißen Geige und Klavier zu einem gemeinsamen, berührenden Aufstieg mit. Geldsetzer lässt ihren Bogen fest über die Saiten fahren, spornt Fountain am Klavier scheinbar noch weiter an. Dieser erste Satz in Elgars Sonate wird so zu einem wunderbaren Moment höchsten Ausdrucks, einem Höhepunkt des Abends beim 200. Mandelring-Konzert. Der Programm-Mix aus Beethoven, Elgar und Strauss versprach schon vorab, ein spannender zu werden. Auf dem Programmzettel steht dreimal das Wort „Sonate für Klavier und Violine“ und meint dreimal etwas sehr Verschiedenes. Klar, da spielt eine Geige gemeinsam mit einem Klavier. Während aber Ludwig van Beethoven die beiden Instrumente häufig in Zwiegespräche versetzt und sie in dialogischem Für und Wider einander gegenüberstellt, preschen sie bei Elgar gemeinsam nach vorne oder lehnen sich in ähnlich gestalteter Ausführung gemeinsam in entspannte Melodien zurück. Dort wird es individuell verspielter, hier partnerschaftlich intensiver. Geldsetzer und Fountain – im Privaten übrigens tatsächlich ein Paar – können beides, wobei der Beethoven zu Konzertbeginn noch vergleichsweise zurückhaltend klingt, was man aber erst bemerkt, nachdem Elgar und Richard Strauss mit ihrem abwechslungsreichen Auf und Ab zu den Zuhörern auf Sofa und gemütlichen Kissen geströmt sind. Richard Strauss hat mit seiner Sonate sozusagen ein Orchesterwerk für zwei Instrumente geschrieben. Er greift seinen großen sinfonischen Tondichtungen mit dem Stück op. 18 in Es-Dur voraus. Da lugt schon ein bisschen Sonnenaufgang aus der „Alpensinfonie“ oder die Grandezza eines „Heldenleben“ hervor. An den Melodien des „Don Juan“ hat er sich vorab ganz direkt bedient. So wird dann auch von Geldsetzer und Fountain interpretiert. Die großen Linien im zweiten Satz lassen die beiden Interpreten nicht etwa auseinander driften, sondern sich gegenseitig in ihrem Spiel bestärken. Kennengelernt haben sich Geldsetzer und Fountain beim „Hambacher Musikfest“ vor sieben Jahren, wie Konzert-Gastgeber Jörg Sebastian Schmidt verrät. Die Violinistin spielt vor allem mit dem bekannten „Fauré Quartett“, Ian Fountain ist weltweit als Konzertpianist unterwegs. Musik wirkt, wenn der Zuhörer die Augen schließt, sich dazu einen Gesichtsausdruck beim Interpreten vorstellt, dann die Augen wieder öffnet und genau diese Mimik sieht. Bei Erika Geldsetzer funktioniert dieser Test einige Male an diesem Abend. Die bewegendsten Töne gelingen ihr nicht etwa, wenn sie mit besonders viel Vibrato spielt, sondern exakte, oft tiefe und beinahe greifbare Einzelklänge produziert. Fountain lässt auf dem Klavier fließende Arpeggien wunderbar organisch ineinander übergehen. Mit seinen Füßen leistet er detaillierte Pedalarbeit, was dank der räumlichen Nähe zum Publikum in diesem speziellen Konzertsaal gut zu beobachten ist. Im Haardter „Wohnzimmer“ ist eben alles etwas anders. So beschließt das Publikum dann auch, sich nicht erst nach dem letzten Ton begeistert zu zeigen, sondern schon mit dem letzten Ton der Strauss-Sonate enthusiastisch zu klatschen. Das Duo setzt dafür noch einen temperamentvoll gespielten spanischen Tanz („Danse Espagnole“) von Manuel de Falla oben drauf.

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